Die Komposition oder Wortzusammensetzung ist in der Grammatik die Bildung eines neuen Wortes durch die Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter bzw. Wortstämme. Das zusammengesetzte Wort als Produkt dieses Verfahrens wird meist Kompositum (Pl.: Komposita) genannt, oder auch Doppelwort oder ebenfalls (Wort-)Zusammensetzung.
Ein Kompositum, das ein Nomen (im Sinne von Substantiv) als Grundwort hat, wird zusammengesetztes Nomen oder Nominalkompositum genannt, in der Schulgrammatik zusammengesetztes Hauptwort. Dies ist im Deutschen der häufigste Typ; allerdings ist das Verfahren der Komposition als solches nicht auf eine bestimmte Wortart eingeschränkt.
Die Komposition ist neben der Derivation (Ableitung) die wichtigste Art der Wortbildung. Sie ist neben der Entlehnung – die allerdings nicht als Wortbildungsart gilt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden Wortschatz zu erweitern. Die Bildung von Komposita führt zu Informationsverdichtung, da eine Bedeutung, die sonst eine syntaktische Konstruktion aus mehreren Wörtern erfordern würde, in einem einzigen Wort ausgedrückt werden kann.
In manchen Darstellungen wird für eine Komposition verlangt, dass die miteinander verbundenen Elemente Wörter sein sollen, also sonst selbständig vorkommen können.[1] Beispiele:
Das Rechtsglied wird dann auch als das Grundwort des Kompositums bezeichnet, das Erstglied als sein Bestimmungswort. Eine solche Einteilung, die sich auf „Wörter“ bezieht, erfasst die typischen Fälle, jedoch verengt sie den Begriff der Komposition und schließt nicht alle infrage kommenden Fälle ein.
Üblicherweise werden unter dem Begriff der Komposition alle Verbindungen einbezogen, deren Teile den gleichen Status wie der Wortstamm eines Inhaltsworts haben (also im einfachen Fall lexikalische Morpheme sind) – auch wenn sie nicht selbständig als Wörter benutzbar sein sollten. Als Komposita zählen somit auch Bildungen, die sogenannte Konfixe verwenden[2] wie in Biblio-thek oder Video-thek. Hier ist das Element -thek ein Konfix, d. h. kommt nicht frei vor, bildet aber einen Stamm für die Anfügung von Flexionsendungen, wie in Videothek-en. Im Gegensatz zu einem Affix trägt es auch inhaltliche Bedeutung bei (hier etwa: „Verwahrungs- und Benutzungseinrichtung für Medien“). Konfixe als Erstglied eines Kompositums sind schwieriger nachzuweisen, aber beispielsweise das Erstglied in Schwieger-vater wird ebenfalls als Konfix, also nicht-freier Wortstamm, angesehen (wie auch in dem Wort verschwiegert; es ist allerdings kein fremdsprachliches Element wie die typischen Beispiele für Konfixe).[3] Ebenso ergibt sich dann Brombeere als Kompositum, wegen der Analogie zu Stachel-beere, auch wenn Brom- als Bezeichnung einer Pflanzenart weder frei noch irgendwo sonst gebunden vorkommt (ein „unikales Morphem“).
Komposition lässt sich dann allgemein definieren als die Verbindung zweier Wortstämme, nicht zweier Wörter.[4] Diese Definition ist aus zwei Gründen präziser: Zum einen sind, wie gesehen, unselbständige Wortstämme zugelassen, wogegen Wörter immer frei stehen können. Zum anderen kann als Wort eine Einheit bezeichnet werden, die eine Flexionsform trägt; flektierte Wortformen sind jedoch innerhalb von Komposita normalerweise nicht möglich. Man sieht dies im obigen Beispiel fahr(-en) + Gast → Fahrgast: Das Kompositum kann nicht die Infinitivform benutzen wie: * Fahrengast. – Zu beachten ist, dass ein Wortstamm seinerseits zusammengesetzt sein kann; mehr dazu siehe im Abschnitt #Der innere Aufbau von Komposita.
Zur Wortbildung zählen sowohl Komposition als auch Derivation (Wortableitung). Während Komposition als Verbindung aus zwei Stämmen definiert wurde, ist die Derivation eine Verbindung aus einem Stamm und einem Affix, wobei Affixe als grammatische, nicht lexikalische Elemente zählen. In der Bezeichnung abgeleiteter Begriffe können aber manchmal beide Verfahren mit ähnlichem Ergebnis benutzt werden, z. B. ist die Wortableitung Empfänger in einer Lesart bedeutungsgleich mit Empfangsgerät (einem Kompositum).
Die Unterscheidung zwischen Komposition und Derivation weist jedoch auch einen Übergangsbereich auf, und zwar sowohl was die Sprachgeschichte betrifft als auch die gegenwärtige deutsche Grammatik.[5] Dies liegt daran, dass ehemals selbständige Wörter, die in Komposita vorkommen, verblassen können und später als Derivationsaffixe aufgefasst werden.
Ein Beispiel für einen historischen Übergang ist das heutige Wortbildungs-Affix lich, wie in feind-lich. Es geht zurück auf das althochdeutsche Wort lich = Körper, Gestalt (vgl. im heutigen Deutsch das Substantiv Leiche). Auf dieser Stufe wären Konstruktionen mit lich demnach als Komposita aufzufassen. Im heutigen Deutsch besitzt -lich keinen Wortstatus mehr und ist vielmehr ein Affix. Die inhaltliche Entwicklung verlief entsprechend von einer Bedeutung „Gestalt (wie ...)“ hin zu einer abstrakteren Funktion, etwa: „mit der Eigenschaft von...“.[6]
Im Gegenwartsdeutsch gibt es ebenfalls Fälle von unsicherem Status zwischen Grundwort eines Kompositums oder Affix. Zum Beispiel wird in dem Handbuch von Fleischer & Barz[7] das Element -wesen wie in Finanzwesen, Hochschulwesen, Gesundheitswesen als Suffix eingestuft, die genannten Bildungen seien also keine Komposition, jedoch ist das Substantiv Wesen in einer Bedeutung ähnlich wie „Organismus“ darin noch erkennbar.
Ein häufiger Fall sind auch Wortbildungen, in denen der erste Teil eines Kompositums eine Bedeutungsveränderung erfährt, die in Richtung einer reinen Bewertung führt (eine expressive Bedeutung). Beispiele sind: Riesenproblem, Bombenerfolg, Traumurlaub. Diese Bildungen beziehen sich nicht wörtlich auf Riesen, Bomben oder Träume, wenngleich Metaphern, die auf diesen Wörtern basieren, beteiligt sind. Hier liegt formal ein Kompositum vor, ein Bestandteil ist aber inhaltlich so geschwächt, wie es für Derivationselemente eher typisch ist (hier also Präfixe). Solche Zwischenformen werden als Affixoid bezeichnet – aber eben nicht als Affix eingeordnet.[8][9] Manche Autoren sprechen sich auch dagegen aus, zwischen Affixoiden und Stämmen überhaupt zu unterscheiden.[10]
Der grammatikalische Kopf einer Konstruktion überträgt seine grammatischen Eigenschaften auf das ganze Wort und steht beim Kompositum im Deutschen (und anderen germanischen Sprachen) in der Regel rechts außen (man sagt daher, das Kompositum sei rechtsköpfig). Bei Determinativkomposita (siehe im Abschnitt „Kompositionstypen“) wird der Kopf auch als das Determinatum bezeichnet. Für eine ausführliche Darstellung mit Beispielen von Komposita siehe den Hauptartikel.
Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden, wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt. Diese kann durch ein spezielles Fugenelement gekennzeichnet sein.[11]
Als Fugenelemente erscheinen im Deutschen hauptsächlich -(e)s-, -e-, -(e)n- und -er- wie in Liebeslied, nötigenfalls, Wartezimmer und gewissermaßen. Die Fugenelemente im Deutschen sind aus Flexionsendungen oder andernorts geschwundenen Teilen des Wortstamms entstanden, wurden aber später zusätzlich auch in Analogie dazu gebildet. Man unterscheidet „paradigmatische Fugenelemente“, d. h. Laute oder Lautverbindungen, die dem Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen, z. B. Genitiv-/Plural-Morphologie (Geistesblitz, Geisterfahrer) und unparadigmatische Fugen, die nicht zum Flexionsparadigma des Erstglieds gehören, z. B. Liebesbrief, Beobachtungssatellit.[12] Auch bei äußerlicher Gleichheit zählen Fugenelemente jedoch in keinem Fall als Flexion, da sie keine grammatischen Merkmale ausdrücken. Sie erfordern also keine Ausnahme zu der Regel, dass im Inneren von Komposita keine Flexionsformen vorkommen.
Vollständige Regeln für ihr Auftreten gibt es nicht. Ein regelmäßiges Muster ist, dass bestimmte Derivations-Suffixe das Anhängen eines Fugen-s verlangen, wenn sie das Erstglied des Kompositums abschließen, so etwa bei -keit, -heit, -schaft, -ung, -ut, -ion, -tät, -tum.
Wenn ein Kompositum als Verbindung zweier Stämme definiert wird, kann hierbei jeder beteiligte Stamm in sich zusammengesetzt sein. Es kann also wiederum ein Kompositum als Erst- oder Zweitglied auftreten oder jede andere Art von Wortbildung enthalten sein.
Beispiele:
Wortbildungsmorpheme wie das -ei in Töpferei sind hier zwar als Bestandteil im Inneren des Erstglieds sichtbar, sind aber als solche nicht am Vorgang der Komposition beteiligt. Die Ableitung von Töpferei letztlich aus Topf ist ein Wortbildungsprozess, der insgesamt zur Bildung eines komplexen Wortstamms Töpferei führt:
Nur der so gebildete komplexe Wortstamm Töpferei als ganzer wird jedoch von der Kompositionsregel in der Bildung Töpferei+betrieb benutzt.
In der Sprachwissenschaft werden verschiedene Typen und Arten von Komposita unterschieden.
Herkömmlich werden Komposita (XY) nach semantischen Kriterien typisiert als:
Beim Determinativkompositum bestimmt (determiniert, spezifiziert) ein Wortglied das andere. Possessivkomposita und Rektionskomposita werden dabei als Unterformen von Determinativkomposita verstanden.[13]
Während die Typenbildung in Determinativ-, Possessiv- und Kopulativkomposita als synchronisch qualifiziert wird,[14] hat Grimm unter historisch-genetischem Aspekt echte/eigentliche Komposita durch Juxtaposition, Kasuskomposita (uneigentliche/unechte Komposita) und verdunkelte („versteinerte“) Zusammensetzungen unterschieden.[15]
Die unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums können unterschiedlichen Wortarten angehören. „Fast alle Wortarten können miteinander kombiniert werden.“[16] Es gibt „grundsätzlich keine Einschränkungen.“[17] Allerdings kann ein Kompositum auch einer Wortart angehören, die keines seiner Bestandteile hat. So sind Zusammensetzungen mit Präpositionen als zweitem Glied üblicherweise selbst keine Präpositionen („nebenan“).
Beispiele:[18]
1.\2. Bestandteil | Substantiv | Verb | Adjektiv | Adverb | Präposition |
---|---|---|---|---|---|
Substantiv | Wort+bildung | seil+tanzen | blitz+schnell | fluss+abwärts | berg+auf |
Verb | Koch+topf | dreh+bohren | klopf+fest | Tauge+nichts | Reiß+aus |
Adjektiv | Blau+helm | rein+waschen | hell+gelb | rund+weg | rund+um |
Adverb | Wieder+wahl | davon+laufen | immer+grün | immer+fort | außen+vor |
Präposition | Gegen+satz | wider+sprechen | vor+laut | vor+weg | neben+an |
Weitere Beispiele:
Komposita kann man auch nach der Wortart der Kopfkonstituente einteilen in:[14]
Zusammenrückungen, also Wörter wie Taugenichts, Nimmersatt, Gottseibeiuns, Dreikäsehoch, Vergissmeinnicht, fußbreit, fortan, sind in der Forschung in ihrer Zuordnung umstritten. Nach Bußmann stellen sie eine Ausnahme bei der Komposition dar, da das 2. Glied nicht Wortart und Flexionsklasse bestimmt.[14]
Es gibt eine schwach produktive Wortbildungsart, bei der durch Doppelung eines Wortes ein Kompositum gebildet wird.[19] Eine Grundform stellen die sogenannten Autokomposita (Selbstkomposita) dar. Dass und wie Selbstkomposita interpretierbar sind, hat Günther in Experimenten nachgewiesen.[20] Geläufige Beispiele sind Helfershelfer, Kindeskind, Zinseszins, die als Genitivkonstruktionen Helfer der Helfer etc. interpretiert werden können.[21] Andere Beispiele dienen unter anderem der Hervorhebung/Intensivierung, z. B. Film-Film, graugraue Hemden.
Gelegentlich wird dabei der anlautende Konsonant variiert, häufiger aber der Stammvokal des Ausgangswortes.
Nicht in dieses Muster gehören Onomatopoetika wie Kuckuck, Tamtam, Wauwau, da sie nicht aus Wörtern gebildet, sondern lautmalerisch urgeschöpft werden.[22]
In der deutschen Orthografie werden Komposita heute meist zusammengeschrieben.[23] Eine Alternative ist die Trennung der einzelnen Kompositumsbestandteile voneinander mit Bindestrich. Ein Leerzeichen in einem Kompositum ist in jedem Fall unzulässig. So kann das schwer lesbare Wort Reihensechszylinderwirbelkammervierventilturbodieselmotor auch Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor geschrieben werden, niemals aber mit Leerzeichen.
Im Englischen werden Komposita für gewöhnlich mit Leerzeichen geschrieben, aber deren Bestimmungswörter werden mit Bindestrich kombiniert, wenn sonst das Verständnis beeinträchtigt wäre. Dies betrifft besonders Kombinationen von Zahlen und Substantiven, aber auch Kombinationen aus anderen Wortteilen.
Traditionell wurden auch viele zweiteilige Komposita mit Bindestrich geschrieben, aber heutzutage werden sie zunehmend entweder getrennt oder zusammengeschrieben, besonders im amerikanischen Englisch. Traditionell wurden neue Begriffe wie homepage erst lange home page geschrieben, erst viel später home-page und nur selten und nach langer Etablierung als homepage.
Der Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor wäre auf Englisch also theoretisch ein inline six-cylinder swirl chamber four-valve turbodiesel engine. Im Englischen sind jedoch Komposita mit mehr als vier Teilen verpönt; selbst vierteilige werden wenn möglich mit of oder anderen Präpositionen umformuliert, z. B. four-valve turbodiesel engine with (an) inline six-cylinder swirl chamber.
Verschiedene quantitative Überlegungen lassen sich zu Komposita anstellen.[24] Eine geht der Frage nach, aus wie vielen Lexemen Komposita zusammengesetzt sind und wie häufig die verschieden langen Komposita vorkommen.[25] Eine weitere gilt der Frage, aus Wörtern welcher Wortart die Komposita zusammengesetzt sind. Dazu hat Gnatchuk Untersuchungen an Komposita in englischen Prosa-Texten[26] sowie in englischen wissenschaftlichen Texten durchgeführt.[27] Weitere Untersuchungen galten den Komposita in einem deutschsprachigen Fachbuch über Wirtschaftsinformatik[28] und denen in Büchern zur Komputerwissenschaft im Ukrainischen.[29] Die Mittel, mit denen die Übergangsstelle zwischen Kompositionsgliedern gestaltet wird, ist ein zusätzliches Thema Gnatciucs & Gnatchuks am Beispiel eines Buches über Wirtschaftsinformatik.[30] Noch ein anderer Aspekt besteht darin, dass kürzere Wörter mehr an der Bildung von Komposita beteiligt sind als längere.[31] In all diesen Fällen konnte gezeigt werden, dass die beobachteten Verhältnisse mathematischen Modellen genügen.
(Kurzzitate beziehen sich auf die Titel in der obigen Literaturliste)