Hurenkind (auch: „Witwe“) und Schusterjunge (auch: „Waise“) sind in der Typografie zwei unterschiedliche, aber verwandte Typen von Satzfehlern, die den Leserhythmus stören und unästhetisch sind.[1]
Hurenkinder gelten im Schriftsatz als schwere handwerkliche Fehler, insbesondere dann, wenn sie auf die Rückseite des Blattes geraten. Dann nämlich beginnt das dort aufgeschlagene Buch mit einem völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Satzfragment, sodass sich der Kontext nicht ohne Zurückblättern herstellen lässt. Damit beeinträchtigen sie sowohl den Lesefluss als auch die Ästhetik des Satzspiegels stark. Der Schusterjunge gilt dabei gegenüber dem Hurenkind als weniger gravierender Fehler, da er zumindest in Leserichtung und am Seitenende liegt, und fällt optisch nur dann besonders auf, wenn Absätze mit Einzug gesetzt werden.
Als Hurenkinderregelung gilt die entsprechende Konvention aus der Satztechnik und dem Buchdruck, dass die letzte Zeile eines Absatzes niemals am Anfang einer Buchseite stehen darf, damit das Erscheinungsbild der Seite nicht darunter leidet. Die Schusterjungenregelung gilt analog, bezogen auf die erste Zeile eines Absatzes. Je nach Satztypus ist nach diesen beiden Regeln nur ein einzeiliger Satzfehler verboten. Allerdings können auch Zwei- oder Dreizeiler am Anfang oder Ende einer Seite „verwaist“ wirken, etwa dann, wenn die Absätze mit Zeilendurchschuss gesetzt sind. Daher werden diese Regeln spezifisch nach Schrift- und Satzbild angepasst.
Am gravierendsten sind beide Fehler dann, wenn sie nur einige wenige oder gar nur ein einziges Wort oder nur eine einzige Silbe betreffen. Dies wird zusätzlich über die allgemeinen Regeln über den Zeilenumbruch abgefangen (minimale Anzahl von Zeichen/Worten nach einem Zeilenumbruch). Diese Regel alleine kann aber Hurenkind wie Schusterjunge nicht verhindern.
Als Hilfe zur Unterscheidung dieser zwei typografischen Fehler dienen folgende Merksprüche:
Vor der Einführung dieser Regel war es üblich, durchgängig das erste Wort der folgenden Rückseite rechtsbündig unter die letzte Zeile, und das letzte Wort der Vorderseite linksbündig über die erste Zeile zu setzen, sodass man insbesondere beim lauten Vorlesen den Kontext im Geist „mitnehmen“ und die Intonation vor und nach dem Umblättern anpassen konnte. Diese Gepflogenheit kam in der jüngeren Neuzeit abhanden. In Zeiten des Typensatzes konnten nur Setzer mit geschultem Auge solche Satzfehler vermeiden, indem sie frühzeitig beim Erstellen der Seite den Zeilenumbruch des umliegenden Textes sowie die Laufweite mittels Wortzwischenraum, Sperren und Zeilendurchschuss (Wort-, Buchstaben und Zeilenabstände) anpassten, sodass am Ende der Satzspiegel gewahrt wurde.
Die Desktop-Publishing-Software (DTP) übernimmt diese Aufgaben, die meist verwendete Bezeichnung für das Hurenkind- und Schusterjungenproblem ist Absatzkontrolle. Diese wird von den meisten Layoutprogrammen und Textverarbeitungen als Standard angeboten. Solche Programme im Menü-System sind
Bei LaTeX sind die Parameter \widowpenalty
und \clubpenalty
[7] einzufügen und in der Webtypografie kann mittels der CSS-Eigenschaften orphans
[6] und widows
[4] festgelegt werden, wie viele Zeilen des Absatzes am Seitenende oder -anfang (also vor oder nach dem Seitenumbruch) stehen müssen. Das findet auch bei Druckversionen von Webseiten Anwendung.
Sollten diese Satzprobleme nicht automatisiert lösbar sein, übernimmt es der Lektor oder Autor in der Korrektur, durch Trennung, Streichen oder Ergänzen die Länge der entsprechenden Textabsätze so zu verändern, dass diese Satzfehler nicht mehr auftreten.[8] Besonders kritisch ist dieser tiefe Eingriff in den Schriftsatz bei Texten mit vielen kurzen Absätzen, dann können sich ganze Serien von Hurenkindern und Schusterjungen bilden, die bei jeder Anpassung in neuer Gestalt auftreten. Weil im elektronischen Satz Feinheiten wie Zeilendurchschuss- und Sperrvariation nur bei hochqualitativen Satzprogrammen üblich sind, müssen im Low-end-DTP typischerweise Hurenkind- und Schusterjungenregel umfassender gewählt werden, als das ein Schriftsetzer oder professioneller Algorithmus tut. Zu großzügig gewählte Regeln können andererseits zu unschönen Häufungen übertriebener Wortzwischenräume auch ober- oder unterhalb führen, insbesondere im Blocksatz.