Geschlechtergerechte Sprache bezeichnet einen Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ziel hat und eine Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will. Als Personenbezeichnung werden alle sprachlichen Mittel verstanden, die auf Menschen referieren können, sich also im semantischen Sinn auf einzelne, mehrere oder alle Personen beziehen. Um zu verdeutlichen, dass neben biologischen auch soziale Geschlechter (Gender) gemeint sind, setzt sich zunehmend die Bezeichnung gendergerechte Sprache durch, auch gendersensible, genderinklusive oder inklusive Sprache (vergleiche Soziale Inklusion). Die Anwendung geschlechtergerechter Sprache wird auch kurz als „Gendern“ bezeichnet und nutzt zwei Möglichkeiten: einerseits die Sichtbarmachung der Geschlechter durch entsprechende Bezeichnungsformen (sexusbezogen: Lehrerinnen und Lehrer, Lehrer*innen), andererseits die Neutralisierung der Geschlechtsbezüge (sexusneutral: Lehrkräfte, Lehrende).
Im deutschsprachigen Raum erschienen 1980 die ersten Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs, zusammengestellt von vier Sprachwissenschaftlerinnen, die zu den Gründerinnen der Feministischen Linguistik gehören. Die Wortwahl „sexistisch“ bezog sich dabei auch auf ein beobachtetes sprachliches Ungleichgewicht (Asymmetrie): Während grammatisch männliche Formen von Personenbezeichnungen sowohl speziell für Männer als auch geschlechterübergreifend für Personen aller Geschlechter gebraucht werden können (generisches Maskulinum: alle Lehrer), beziehen sich die weiblichen Formen von Bezeichnungspaaren ausschließlich auf Frauen (Lehrerinnen). Diese Sprachgewohnheit wurde als Diskriminierung kritisiert, weil bei der Beschreibung gemischtgeschlechtlicher Gruppen nur männliche Formen erscheinen (aus 99 Lehrerinnen plus 1 Lehrer werden 100 Lehrer). Dadurch würden Frauen sprachlich unsichtbar, sie seien beim generischen Maskulinum nur mitgemeint. In der Folgezeit wurden zahlreiche Vorschläge zu einer geschlechtergerechten Sprech- und Schreibweise diskutiert und in Richtlinien, Leitfäden und Gesetzen festgehalten, mit der erklärten Absicht einer „sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern“. Nach der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtskategorie „divers“ im Jahr 2018 in Deutschland und 2019 in Österreich änderte sich die Zielsetzung zur „sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter“ (zum Gendern in anderen Sprachen siehe unten).
Genus
Das Deutsche gehört zu den Sprachen, die Substantive (Hauptwörter, Nomen) nach ihrem grammatischen Geschlecht unterscheiden (fachsprachlich das Genus, Mehrzahl Genera). Rund 38 % der Weltbevölkerung sprechen Sprachen, die über Genera verfügen.[1] Im Deutschen gibt es drei grammatische Geschlechter: „männlich“ (maskulin), „weiblich“ (feminin) und „sächlich“ (neutral). Entsprechend hat ein Substantiv als grammatische Eigenschaft, ein Maskulinum (der Löffel), ein Femininum (die Gabel) oder ein Neutrum zu sein (das Messer); Artikelwörter und Pronomen (Fürwörter) zeigen das entsprechende Geschlecht an. Welches Genus ein Substantiv hat, folgt im Allgemeinen keiner Regel; oft wird es aufgrund formaler Kriterien zugeordnet.
Sexus
Bei der inhaltlichen Bedeutung (Semantik) von Wörtern wird grundsätzlich unterschieden, ob sie sich auf Belebtes oder auf etwas Unbelebtes beziehen: Gegenständliches oder Abstraktes gilt als unbelebt, Lebewesen gelten als belebt. In Bezug auf Menschen (sowie ihnen nahestehende Tiere) wird oft zusätzlich nach ihrem Geschlecht unterschieden, entsprechend gibt es verschiedene Bezeichnungen für weibliche und für männliche Personen sowie für junge (das Kind). Sprachwissenschaftlich wird das sogenannte „natürliche Geschlecht“ der gemeinten (referierten) Personen als Sexus bezeichnet und gehört zu den semantischen Merkmalen der meisten Personenbezeichnungen: Das „semantische Geschlecht“ [weiblich] oder [männlich] ist Teil ihrer inhaltlichen Bedeutung, die sich auf Eigenschaften der außersprachlichen Welt bezieht.[d: 1] Normalerweise ist damit das biologische Geschlecht einer Person gemeint (ihr „Geburtsgeschlecht“), aber im Falle von Transgender-Personen wird Bezug genommen auf ihr soziales Geschlecht (Gender), also auf ihre Geschlechtsidentität.[d: 2]
Kongruenz
Bei vielen Personenbezeichnungen gibt es eine Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen ihrem grammatischen Geschlecht und dem Geschlecht der gemeinten Personen. Insbesondere bei Substantiven, die Frauen bezeichnen, besteht eine Genus-Sexus-Übereinstimmung: Weibliche Verwandtschaftsbezeichnungen wie die Tante können nicht für Männer genutzt werden; das gilt auch für Berufsbezeichnungen wie die Lehrerin und Tausende weiterer weiblicher Wortformen. Eine solche Übereinstimmung besteht umgekehrt auch bei den entsprechenden Bezeichnungen für Männer (der Onkel, der Lehrer). Mit Ausnahme von Pluralwörtern (Eltern, Geschwister) sind fast alle Verwandtschaftsnamen geschlechtsbezogen (sexusspezifisch), wie die Duden-Grammatik ab ihrer 2. Auflage 1966 wiederholt festhält:[2]
„Das grammatische Geschlecht der Substantive, die Personen benennen, darunter besonders der Verwandtschaftsbezeichnungen, stimmt im allgemeinen mit dem natürlichen Geschlecht der Person überein.“[3]
Generalisierendes Maskulinum
Anfolgend macht die Duden-Grammatik eine grundlegende Aussage zum Gebrauch maskuliner Personenbezeichnungen:[2]
„In der Hochsprache verwendet man auch das Maskulinum, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist. Es generalisiert gleichzeitig: Teuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen; […]“
Hier repräsentiert die Maskulinform Freund nicht einen einzelnen Mann, sondern im verallgemeinernden Sinne alle Freunde, wobei geschlechterübergreifend auch Freundinnen eingeschlossen sein sollen; das generalisierende Maskulinum Feind soll alle Feindinnen mitmeinen. Auch für einige Indefinitpronomen gilt diese Möglichkeit der Verallgemeinerung, wie die Duden-Grammatik erklärt: „Die alleinstehende männliche Form ‚jeder‘ kann generell jedes Geschlecht mit bezeichnen: Jeder hebe nun sein Glas! (Männer, Frauen, Kinder)“.[5]
Feministische Sprachkritik
Ein solcher generalisierender Gebrauch von Maskulina wurde zunächst in den 1970er-Jahren in der englischen Sprache kritisch untersucht. Mitte der 1970er begannen Sprachwissenschaftlerinnen dann auch die deutsche Sprache in Bezug auf Elemente zu untersuchen, die in androzentrischer Weise den Mann und das Männliche sprachlich als Norm erscheinen lassen. Das Thema „Sprache und Geschlecht“ fand Eingang in Veranstaltungen an deutschsprachigen Hochschulen.[6]
1978 erschien der Band einer sprachwissenschaftlichen Zeitschrift zu diesem Thema sowie der Artikel Linguistik und Frauensprache von Senta Trömel-Plötz mit der Kritik an einer männlich geprägten Sprache („Männersprache“), die bis in die grammatischen Strukturen hinein die Sichtbarkeit von Frauen einschränke und sie immer nur mitmeine.[6][7] Der geschlechterübergreifende Gebrauch von Maskulinformen wurde als sprachliche Asymmetrie kritisiert; bald kamen gesellschaftspolitische Forderungen nach einer sprachlichen Gleichbehandlung beider Geschlechter auf.[6] Aus dieser feministischen Sprachkritik ergaben sich Vorschläge nach einem sprachlichen Wandel, die in dem Konzept „geschlechtergerechte Sprache“ zusammengefasst wurden.
1979 wurde die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beschlossen, im Folgejahr erschienen die Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs von Trömel-Plötz, zusammen mit den Sprachwissenschaftlerinnen Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt und Luise F. Pusch.[8] Letztere kennzeichnete bald darauf den Forschungsbereich „Sprache und Geschlecht“ als Feministische Linguistik. Die Wortwahl „sexistisch“ war im Sinne von „diskriminierend“ gemeint und bezog sich auf die sprachliche Ungleichbehandlung: Maskuline Personenbezeichnungen beziehen sich auf Männer, manchmal auch auf Frauen, während feminine Formen ausschließlich auf Frauen bezogen sind.
1987 veröffentlichte die UNESCO unter dem Titel Guide to Non-Sexist Language eigene Leitlinien zur geschlechtsneutralen Sprache.[9]
Generische Maskulinform
1984 erwähnte die Duden-Grammatik noch den „verallgemeinernden“ Gebrauch maskuliner Formen und erklärte, dass feminine Bezeichnungsformen nur zu verwenden wären, wenn ausschließlich Frauen gemeint seien:[2]
„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. verallgemeinernd. Wenn man jedoch das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z. B. auf ‚-in‘) oder eine entsprechende Umschreibung […].“
1995 ergänzte die Duden-Grammatik zum „neutralisierenden“ Gebrauch maskuliner Formen die Fachbezeichnung generisch („verallgemeinernd“), erwähnte aber auch die Existenz von „Bemühungen, eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen zu erreichen“.[11] In der folgenden 6. Auflage, herausgegeben von Peter Eisenberg und Annette Klosa-Kückelhaus, wurde erstmals der Ausdruck „generisches Maskulinum“ verwendet, aber auch auf seine Ablehnung hingewiesen sowie auf die „Doppelnennung“ beider Formen:[2][12]
„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Nomina, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. Bei Bezug auf weibliche Personen werden häufig feminine Formen (z. B. auf ‚-in‘ […]) verwendet; mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen.“
2016 definiert die 9. Ausgabe der Duden-Grammatik den generischen Gebrauch von Maskulinformen als eigene „Klasse C“ der Personenbezeichnungen:
„Klasse C umfasst maskuline Personenbezeichnungen, die sowohl sexusspezifisch (Bezug nur auf Männer) als auch sexusindifferent gebraucht werden. Neben solchen Maskulina steht gewöhnlich eine feminine Ableitung, die sexusspezifisch auf weibliche Personen referiert (Klasse B), meist mit dem Suffix -in (Fachausdruck: Movierung) […]
Am sexusindifferenten (generischen) Gebrauch wird kritisiert, dass er sich formal nicht vom sexusspezifischen Gebrauch unterscheidet. So können inhaltliche und kommunikative Missverständnisse entstehen, z. B. der Eindruck, dass Frauen gar nicht mitgemeint sind. Experimente unterstützen diese Annahme. Aus diesem Grund wird der sexusindifferente Gebrauch der Maskulina oft vermieden. Staatdessen werden Paarformen gebraucht: Alle Schülerinnen und Schüler sind herzlich eingeladen. (Anrede:) Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!“
Sollbruchstelle
Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache der Sprachwissenschaftlerinnen Gabriele Diewald und Anja Steinhauer bezeichnet im April 2020 das generische Maskulinum als eine weiterhin bestehende „Sollbruchstelle“ der gendergerechten Sprache:
„Einer der Hauptstreitpunkte in den Debatten um geschlechtergerechte Sprache seit den 1970er-Jahren ist das sogenannte generische Maskulinum. Diese Diskussion ist so wichtig wie kompliziert. […] Selbstverständlich raten alle Leitfäden für gendergerechte Sprache von der Verwendung dieser Gebrauchsgewohnheit – denn das ist das ‚generische Maskulinum‘ letztlich – ab. […] Männer sind durch diese Form immer explizit angesprochen und können sich somit in jedem Fall gemeint fühlen. Frauen hingegen sind durch diese Form nicht direkt angesprochen. Sie wissen nie, ob sie in einem konkreten Fall ‚mitgemeint‘ sind und sich also angesprochen fühlen sollen oder ob sie nicht gemeint, also ausgeschlossen sind. […] Denn die maskuline Form bei paarigen Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. […] Das ‚generische Maskulinum‘ verstößt zudem gegen das grundlegende Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. […] Zugleich ist es eine der Sollbruchstellen des geschlechtergerechten Formulierens: Es ist nicht möglich, sich geschlechtergerecht auszudrücken und zugleich das ‚generische Maskulinum‘ beizubehalten.“[d: 3]
3. Option
Mit der rechtlichen Verankerung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und Österreich 2019 ist die Notwendigkeit verbunden, Personen dritten Geschlechts angemessen benennen und beschreiben zu können. Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fasst hierzu im August 2020 zusammen: „In dieser Hinsicht sind auch sprachliche Faktoren in Augenschein zu nehmen, um allen Geschlechtern gerecht zu werden. Da es für das dritte Geschlecht jedoch bislang weder eindeutige Bezeichnungen noch adäquate Pronomen, Anrede- oder Flexionsformen gibt […] Neue Mittel sind nötig.“[g: 1]
Zwar sieht die GfdS den Bedarf an einer Sprache, „die allen Geschlechtern gerecht wird, gleichzeitig ist sie sich eines größeren Problembereichs bewusst: Nicht nur sind neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B. Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten […] Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren.“[g: 2]
Zuständig für die amtliche Rechtschreibung im deutschen Sprachraum ist seit 1996 der Rat für deutsche Rechtschreibung. Sein Regelwerk gilt als verbindlich für die Rechtspflege und für Behörden, Schulen und andere Einrichtungen.[15][16] In seinen Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ nennt der Rat sechs grundlegende Anforderungen, wobei jeweils auf unterschiedliche Zielgruppen und Funktionen von Texten zu achten sei:
„Geschlechtergerechte Texte sollen
- sachlich korrekt sein,
- verständlich und lesbar sein,
- vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
- Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten,
- übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen,
- für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.“
Zur Umsetzung der Anforderungen hält der Rat fest:
„Die weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form, im Plural oder in Passivkonstruktionen zu schreiben, wird der Erwartung geschlechtergerechter Schreibung derzeit am ehesten gerecht.“
Die Gesellschaft für deutsche Sprache, ein hauptsächlich von der deutschen Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister finanzierter Verein, sieht die geschlechtergerechte Sprache in ihren Leitlinien zu den Möglichkeiten des Genderings als wichtigen Aspekt zur Gleichbehandlung der Geschlechter. Sie empfiehlt einige Formen der geschlechtergerechten Schreibung (Doppelnennung, Schrägstrichlösung und Ersatzformen), andere unterstützt sie aus grammatischen Gründen nicht. Zu den Grundlagen erklärt sie:
„Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verankert. Ein wichtiger Aspekt, um die Gleichbehandlung sicherzustellen, ist eine geschlechtergerechte Sprache. […] Eine Gleichbehandlung, um die es bei geschlechtergerechter Sprache geht, ist beim generischen Femininum so wenig gewährleistet wie beim generischen Maskulinum.“
Amtliche Regelungen
Nachdem 1980 die ersten sprachwissenschaftlichen Richtlinien zu einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch erschienen waren (siehe unten), fanden 1984 einige der Forderungen Eingang in die Politik, als der hessische Ministerpräsident in seinem Runderlass Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Vordrucken erklärte, dass maskuline Personenbezeichnungen nicht im generischen Sinne zu verwenden seien:
„Im Text selbst sollen die Bürgerinnen und Bürger – soweit möglich und zweckmäßig – persönlich angesprochen werden. Ist dies nicht möglich, so soll entweder eine neutrale Form verwendet werden (z. B. Lehrkraft) oder die weibliche und männliche Form aufgeführt werden (Lehrerinnen und Lehrer, Antragstellerin/Antragsteller). […]
Die männliche Form einer Bezeichnung kann nicht als Oberbegriff angesehen werden, der die weibliche und männliche Form einschließt.“
1985 folgte der Senat der Freien Hansestadt Bremen mit einem Runderlass ähnlichen Wortlauts (Details). Bis zur Jahrtausendwende erließen die meisten deutschen Bundesländer entsprechende Richtlinien und (Gleichstellungs-)Gesetze, meist mit dem Wortlaut „sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“ (siehe unten Verordnungen ab 1980). Dahingehende Gesetze und amtliche Regelungen wurden auch in Österreich und der Schweiz erlassen; dort wurden 2007 «geschlechtergerechte Formulierungen» im Sprachengesetz rechtlich verankert (Art. 7 SpG, Details), und die Bundeskanzlei kennzeichnete 2009 das generische Maskulinum als grundsätzlich «nicht geschlechtergerecht formuliert».[s: 1] Im deutschsprachigen Raum folgten Stadtverwaltungen und viele Hochschulen mit eigenen Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache (Liste).
Das Europäische Parlament erneuerte 2018 seine Leitlinien aus dem Jahr 2008 zum „geschlechterneutralen Sprachgebrauch“ und stellte in Bezug auf das Parlament als Rechtsetzungsorgan fest: „Unter Beachtung des Gebots der Eindeutigkeit sollte ein Sprachgebrauch, der sich nicht durch Geschlechterinklusion auszeichnet, insbesondere das generische Maskulinum, in Rechtsakten so weit wie möglich vermieden werden. Viele Gesetzgebungsorgane in den Mitgliedstaaten haben bereits diesbezügliche Empfehlungen erlassen.“[19]
Duden
1997 enthielt der Dudenband Zweifelsfälle der deutschen Sprache einen Text und verschiedene Hinweise zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache.[20][21] Zwei Jahre später erschien ein Artikel der Duden-Redaktion, in dem Doppelnennung und Kurzformen mit Schrägstrich sowie neutrale Ersatzformen empfohlen wurden. Die Verwendung des Binnen-I wurde nicht empfohlen, weil es weder den alten noch den neuen Rechtschreibregeln entspreche, aber es wurde angemerkt:
„[S]o hat insbesondere die seit den Achtzigerjahren immer häufiger werdende Verwendung des großen I (wie in LeserInnen) dazu geführt, dass die Problematik der sprachlichen Gleichstellung breit erkannt wurde – sei es auch nur deshalb, weil das große I als Provokation verstanden und abgelehnt wurde. Zeitungstexte, Lehrbücher, Predigten, Formulare, Reden im Bundestag und weitere Textsorten können heute nicht mehr erstellt werden, ohne dass die Frage der angemessenen sprachlichen Berücksichtigung von Frauen gestellt wird. Um diese Frage sprachlich und orthographisch korrekt beantworten zu können, hat die Dudenredaktion die folgenden Empfehlungen erarbeitet.“
2004 nahm die 23. Auflage des Rechtschreibdudens über 5000 weibliche Tätigkeits-, Amts- und Berufsbezeichnungen auf, nachdem ihr Gebrauch seit den 1970ern in nennenswertem Umfang angewachsen war.[22] 2016 enthielt der Dudenband Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle einen ausführlichen Eintrag geschlechtergerechter Sprachgebrauch;[23] im Folgejahr erschien der Duden-Newsletter Geschlechtergerechter Sprachgebrauch: Schrägstrich, Asterisk und Unterstrich.[24]
Im August 2020 enthält auch der Rechtschreibduden in seiner 28. Auflage einen eigenen Abschnitt Geschlechtergerechter Sprachgebrauch mit einer Übersicht zu den verbreiteten Mitteln gendergerechter Sprache, die online veröffentlicht wurde. Sie beginnt mit der Feststellung: „Bei Bezeichnungen wie die Antragsteller; alle Schüler; Kollegen ist sprachlich nicht eindeutig, ob nur auf Männer referiert wird oder ob auch andere Personen gemeint sind. Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keine Norm.“[25]
Personenbezeichnungen
1997 kam eine Studie des Sprachwissenschaftlers Peter Braun zu dem Ergebnis, dass es in der deutschen Gegenwartssprache rund 15.000 Personenbezeichnungen gibt, die jede auf besondere Weise etwas über die „Seinsweisen des Menschen“ aussagen: „15 000mal macht die deutsche Sprache gleichsam den Versuch, den Menschen zu benennen, zu charakterisieren, zu beurteilen; insgesamt bilden alle diese sprachlichen Versuche einen wesentlichen und wesenseigenen Sinnbezirk des deutschen Wortschatzes.“[26] Bis zum Jahr 2022 will der Online-Duden zu seinen 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen jeweils einen voll ausgearbeiteten Artikel zur weiblichen Bezeichnung bereitstellen:[27] Arzt steht nun für eine „männliche Person“, Ärztin für eine „weibliche Person“ (bis 2020 nur als Verweisartikel: „weibliche Form zu Arzt“).[28] Die generische Verwendung der maskulinen Formen bestreitet der Duden nicht (zum Arzt gehen), sie sei aber „nicht Bestandteil der lexikografischen Kategorie Bedeutung“ (vergleiche Lexikalische Semantik).[29] Es gibt alleine mehr als 12.000 maskuline Tätigkeitsbezeichnungen, die mit der Endung -er von Verben abgeleitet sind (machen → der Macher); in der Regel gibt es zu ihnen eine abgeleitete Femininform mit der Endung -in (die Macherin).
Sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter bezieht sich vor allem auf Tätigkeits-, Amts- und Berufsbezeichnungen, betrifft aber auch andere Sprachelemente, wie das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache zusammenfasst:
„Mit Personenbezeichnungen meinen wir alle sprachlichen Mittel, die auf Menschen referieren können. Dies sind alle Arten von Eigennamen, Titeln und Anreden (Hans Müller, Professorin Meier, Frau Ministerin), beschreibende Nominalphrasen (die Abteilungsleiterin, ein Postbote), Pronomina (er, sie, alle, man, wer) sowie weitere Ausdrucksmittel, z. B. Präpositionalphrasen wie bei uns, unter Freundinnen, aber auch Kollektivbezeichnungen wie z. B. Team oder Professorenschaft.“
Um die uneindeutige Verwendung von maskulinen Formen in generischer Absicht zu vermeiden und alle biologischen und sozialen Geschlechter (Gender) sprachlich gleichberechtigt zu behandeln, werden seit 1980 zwei Möglichkeiten angewendet:
Regeln
Neben dem Rechtschreibduden erklärt auch das Duden-Handbuch ausdrücklich, dass es keine verbindlichen eigenen Sprachnormen oder Regeln gibt:
„Für die Anwendung geschlechtergerechter Sprache gibt es keine Norm, die vergleichbar wäre mit anderen Normen in sprachlichen Bereichen wie zum Beispiel der Rechtschreibung. […] ‚Gendern‘ kann daher nicht bedeuten ‚nach vorgegebenen Regeln gendern‘, sondern situationsangemessen, sachangemessen, d. h. inhaltlich korrekt, verständlich und ansprechend den Grundsatz der geschlechtergerechten Sprache in der eigenen Sprachproduktion umsetzen. […] denn im Grunde besteht ein Großteil der Spracharbeit für geschlechtergerechte Sprache in der Bemühung, die alte Gewohnheit der Verwendung der Maskulinformen für ‚alle‘ zu überwinden, indem sinnvollere Formen gewählt werden.“
Sprachliche Sichtbarkeit bedeutet ein „explizites Gemeint-Sein“ bei der Referenz auf Personen.[d: 6] Im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern hat sich zunächst die Beidnennung der Personenbezeichnungen für beide Geschlechter entwickelt, bald darauf abgekürzte Paarformen mit Schrägstrich oder Binnen-I. Nach der Jahrtausendwende entwickelten sich mehrgeschlechtliche Schreibweisen mit zusätzlichen typografischen „Genderzeichen“. Auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft wurden daneben auch alternative Vorschläge zur Gestaltung einer gendergerechten Sprache gemacht.
Die bekannteste und eindeutigste Form der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist die althergebrachte Begrüßungsformel: „Sehr geehrte Damen und Herren“, kurz „Meine Damen und Herren“.[g: 3] Dabei wird sowohl die feminine als auch die maskuline Bezeichnung genannt und Personen beider Geschlechter angesprochen, also sprachlich sichtbar gemacht; die Erstnennung von Frauen gilt als unverbindliche Höflichkeit. Eine vollständige Beidnennung (Doppelnennung) erfolgt immer durch die Verbindung mit „und“, „oder“ oder – falls auf etwas Vorstehendes bezogen – mit „beziehungsweise“:[d: 7]
Beidnennung ist nur möglich für Personenbezeichnungen, die in paariger Form vorliegen: eine grammatisch maskuline Bezeichnung für Männer und eine feminine für Frauen. So gibt es mehr als zehntausend zweigeschlechtliche Wortpaare, bei denen die feminine Form mithilfe der Endung -in gebildet wird, meist abgeleitet aus der maskulinen Wortform (Chef → Chefin; Täter → Täterin) oder direkt an den Wortstamm gehängt (Bote → Botin). Zu maskulinen Berufsbezeichnungen auf -eur werden im Deutschen feminine Formen mit -eurin gebildet (Regisseur → Regisseurin; Ausnahmen: Diseuse, Souffleuse; siehe Ableitung weiblicher Formen von männlichen Bezeichnungen). Zu den meisten Zusammensetzungen mit -mann wird die feminine Entsprechung mit -frau gebildet und umgekehrt (Kaufmann → Kauffrau; Hausfrau → Hausmann); der Plural zu beiden Formen wird mit -leute gebildet (Feuerwehrleute).[d: 7] In zweigeschlechtlicher Form liegen auch fast alle Verwandtschaftsbezeichnungen vor (Cousin & Cousine, Onkel & Tante, Enkel & Enkelin).[10] Bereits im Jahr 1574 vermerkte eine der ersten Grammatiken des Deutschen, dass Ableitungen von maskulinen „Nomina der Männer, männlichen Ämtern, Zunamen und ähnlichen“ nur gebildet werden, wenn es nicht bereits eigenständige feminine Bezeichnungen gibt (selten: Mann → Männin für eine Frau, aber ehemals gebräuchlich: Amtsmännin, Landsmännin).[30]
Mehrere empirische Studien (1993 bis 2010) ermittelten, dass Versuchspersonen Schreibweisen mit Doppelnennung eher mit weiblichen Personen assoziieren (mentale Repräsentation) als bei der Verwendung generischer Maskulinformen (Lehrer).[31][32][33][34]
Bereits 1998 hatte die Duden-Grammatik auf die Ablehnung von generischen Maskulina und auf explizite Beidnennung hingewiesen: „mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen“.[13] 2018 hält der Rat für deutsche Rechtschreibung die „weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form […] zu schreiben“, für geschlechtergerecht.[17] Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt 2020 die „Paarformel/Doppelnennung“ genannte Schreibweise: „Diese Form ist immer möglich und insbesondere dort zu empfehlen, wo es darum geht, beide Geschlechter sichtbar zu machen, besonders aber in mündlich vorgetragenen Texten. Die Doppelnennung hat zudem den Vorteil, dass grammatische Besonderheiten im Satzkontext sowie lexematische Besonderheiten wie Umlaute berücksichtigt werden.“[g: 3]
Probleme der vollständigen Beidnennung
Fehlende „dritte Option“
In Formularen oder Texten mit vielen Wiederholungen können Beidnennungen verkürzt werden, dabei wird ein Wortteil eingespart, auch „Sparschreibung“ genannt. Kurzformen dienen der Übersichtlichkeit und können helfen, sprachökonomisch zu kommunizieren, vor allem bei Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen.[d: 9] Mit Kurzformen kann auch auf beschränktem Platz geschlechtergerecht formuliert werden, insbesondere in knappen Texten, die nur unvollständige Sätze enthalten (etwa Tabellen, interne Mitteilungen, Aktennotizen).[s: 2] Neben Schrägstrich werden auch Klammern und das Binnen-I zur Kürzung verwendet, mit jeweiligen Eignungen und Einschränkungen.
Die Duden-Grammatik von 2016 listet mehrere Möglichkeiten zur Abkürzung:[14]
„Da Paarformen – abgesehen vom angestrebten deutlichen Bezug auf weibliche und männliche Personen – viel Redundanz aufweisen, werden sie in geschriebener Sprache oft (in gesprochener zumindest gelegentlich) verkürzt […]. Von den nachstehend aufgeführten Varianten gelten nicht alle als empfehlenswert […]:
- (a) Absolventen und Absolventinnen
- (b) Absolventen/Absolventinnen
- (c) Absolventen/-innen
- (d) Absolvent/-innen
- (e) Absolvent/innen
- '(f)' AbsolventInnen“
Aussprache von Kurzformen
Nicht immer ist klar, wie abgekürzte Paarformen vorzutragen sind. Zur Aussprache bieten sich zwei Möglichkeiten, wie bereits die Schweizer Bundeskanzlei 2009 in ihrem Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen anmerkte: „Werden Texte mit Kurzformen laut vorgetragen, so wird die Abkürzung aufgelöst und als Vollform gelesen, oder es wird nach dem gemeinsamen Wortteil eine kurze Pause gemacht, gefolgt von einem sogenannten glottalen Verschlusslaut vor dem Vokal der Endung -in bzw. -innen“ (eine sogenannte „Gender-Pause“).[s: 3]
Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache verweist 2020 darauf, dass Kurzformen als „Sparschreibung für die ausführliche Beidnennung“ anzusehen sind und „beim Sprechen die lange Form wiedererhalten“. Als Alternative wird der glottale Verschlusslaut (Glottisschlag) erwähnt, der insbesondere „durch die verstärkte Verwendung des Gendersterns deutlich zugenommen“ habe: An der Kompositionsfuge werde eine Pause gesprochen, etwa bei Mitarbeiter/-innen oder Mitarbeiter*innen: Mitarbeiter-innen
.[d: 10]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnt Gender-Pausen als Mittel des geschlechtergerechten Sprechens ab, weil unklar bliebe, wie diese Höreffekte zu verschriftlichen seien (Details).
Siehe unten: Glottisschlag bei den Öffentlich-Rechtlichen
Die Rechtschreibregel § 106 erklärt: „Mit dem Schrägstrich kennzeichnet man, dass Wörter (Namen, Abkürzungen), Zahlen oder dergleichen zusammengehören.“[35] Schreibweisen mit Schrägstrich dienen grundsätzlich der Angabe mehrerer gleichberechtigter Möglichkeiten (Frau/Herr, Arzt/Ärztin).[d: 9]
Eine psycholinguistische Studie (2000) ermittelte, dass Kurzformen mit Schrägstrich eher eine Gleichverteilung weiblicher und männlicher Referenten bewirken als generische Maskulinformen (Lehrer) oder Binnen-I (LehrerInnen).[36]
Schrägstrich mit Vollformen
Zunächst wird die Beidnennung der geschlechtlichen Formen nur etwas verkürzt und das Verbindungswort durch den Schrägstrich ersetzt.[25] Wenn aber innerhalb einer Wortgruppe bei Artikeln oder Adjektiven unterschiedliche Endungen vorkommen, sollten alle Formen einzeln ausgeschrieben und mit Schrägstrich verbunden werden (Wir suchen eine erfahrene Webdesignerin/einen erfahrenen Webdesigner).[d: 9]
Schrägstrich mit Ergänzungsstrich
Zur Abkürzung einer Beidnennung erlaubt die Rechtschreibregel § 106 nur den Schrägstrich mit Ergänzungsstrich.[35][25] Die Gesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt 2020 diese Kurzform: „Grundsätzlich ist die Schrägstrichschreibung eine gute Möglichkeit, sprachökonomisch zu formulieren und allzu viele Wiederholungen zu vermeiden. Da beide Geschlechter explizit angesprochen werden, eignet sie sich zur sprachlichen Gleichbehandlung.“ Mehrfache Schrägstriche entsprechen zwar der amtlichen Rechtschreibung, werden aber von der GfdS nicht empfohlen: Kolleg-/-inn-/-en.[g: 4] Das Duden-Handbuch nennt derartige Schreibungen „unüblich“.[d: 9] Viele solcher Beidnennungen lassen sich im Plural neutralisieren mit dem substantivierten Partizip Präsens: Lehrende, Studierende (siehe unten).
Gender-Schrägstrich
Die verkürzte Schreibweise mit Schrägstrich ohne den Ergänzungsstrich war zunächst in der Schweiz verbreitet, die Bundeskanzlei empfahl 2009 in ihrem rechtsverbindlichen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen den Schrägstrich mit oder ohne Ergänzungsstrich, vermerkte aber: „In verknappten Textpassagen, namentlich in Tabellen, können Kurzformen verwendet werden. Dabei wird die Kurzform mit Schrägstrich, aber ohne Auslassungsstrich verwendet (Bürger/innen).“ Dies gilt für „Kurzformen in amtlichen Publikationen des Bundes (Erlasse, Botschaften, Berichte usw.)“.[s: 4] Diese Schreibweise verbreitete sich im deutschsprachigen Raum, einige Behörden nutzen diese Schreibweise in Textsorten wie Listen oder Formularen (siehe Hochschul-Leitfäden).
Das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) empfiehlt 2018 in seinem Leitfaden Geschlechtergerechte Sprache in Bezug auf verkürzte Paarformen das Zusammenziehen ohne Ergänzungsstrich: ein/e Student/in, der/die Dirigent/in. Bedingung: „Ein grammatikalisch korrektes Wort muss entstehen. […] Schreibweisen wie ‚Kandidat(in)‘ oder ‚Kandidat/-in‘ sollten vermieden werden, da sie suggerieren, die weibliche Form wäre weniger bedeutend als die männliche.“[37]
Die Duden-Redaktion merkt im August 2020 an: „Dabei ist zwar der Bindestrich den amtlichen Rechtschreibregeln zufolge nach wie vor vorgeschrieben, allerdings wurde und wird aus typografischen Gründen häufig auf ihn verzichtet: Mitarbeiter/innen, Lektor/in. […] Zu beobachten ist auch, dass sich der Sprachgebrauch in letzter Zeit von starren Regeln loslöst. Aus praktischen Gründen werden Doppelformen häufig wie ein Gesamtwort behandelt und entsprechend unkompliziert flektiert: den Mitarbeiter/innen, den Kolleg/innen.“[38] Auch die GfdS verweist darauf, dass es nicht den Rechtschreibregeln entspricht, den Bindestrich aus typografischen Gründen wegzulassen.[g: 4]
Problemfälle bei Kurzformen
Abkürzungen paariger Personenbezeichnungen ergeben nur Sinn, solange sich mit und ohne Abkürzung zwei korrekte Worte lesen lassen; in Wortgruppen müssen die grammatischen Bezüge stimmen (gilt auch für Schreibweisen mit Genderzeichen). Es gibt Wortpaare, die sich nicht für Kurzformen eignen; darauf weist beispielsweise die GfdS in Bezug auf die Schrägstrichschreibung hin:
„Wichtig ist, dass bei Weglassen des Schrägstrichs ein grammatisch korrektes und lesbares Wort entsteht. […]
- Die Schreibung mit Ergänzungsbindestrich ist bei abweichenden Endungen und Umlautungen nicht möglich – nicht: Kollegen/-innen, Kolleg/-in, Ärzte/-innen, Arzt/-in, Ärzt/-in. In solchen Fällen ist nur die Doppelschreibung, die Schrägstrichschreibung mit Vollformen oder eine Ersatzform möglich und korrekt. […]
- Bei Kürzungen kann es zu fehlender Übereinstimmung kommen – nicht: jede/-r Lehrer/-in.
- Mehrere Schrägstriche in einem Wort sollten vermieden werden – besser nicht: Kolleg-/-inn-/-en“
Siehe oben: Aussprache von Kurzformen und Fehlende „dritte Option“
Die Rechtschreibregel § 86 erklärt: „Mit Klammern schließt man Zusätze oder Nachträge ein.“[39] Als Kurzform einer Beidnennung wird die feminine Endung in Klammern an die maskuline Bezeichnung angehängt; durch diese Kennzeichnung als Sparschreibung kann das Wort mit oder ohne den eingeklammerten Teil gelesen werden. Die Klammern können auch einen Einschub innerhalb des Wortes kennzeichnen. Für Klammer-Schreibweisen gelten die gleichen Einschränkungen wie für alle Kurzformen, so muss grundsätzlich mit und ohne Klammern ein lesbares Wort entstehen (siehe oben). Neben dem Schrägstrich mit Bindestrich sind Klammern die einzige von den Regeln abgedeckte Kurzform für paarige Personenbezeichnungen.[d: 11]
Diese Schreibweise wird aus mehreren Gründen kritisiert: Weil die eingeklammerte weibliche Endung weggelassen werden kann, wirkt die verbleibende Maskulinform wichtiger und vorrangig. Außerdem steht die Bezeichnung für Männer an erster Stelle. Beides widerspricht der sprachlichen Gleichbehandlung.[d: 11] Die Duden-Redaktion merkt 2020 an: „Die Einklammerung der femininen Endung ist heute nicht mehr oft zu finden. Sie wird häufig abgelehnt, weil durch sie der Eindruck entstehen kann, die feminine Form sei zweitrangig.“[25] Ähnlich sieht es die Gesellschaft für deutsche Sprache: „Daher ist die Verwendung nur bedingt zu empfehlen.“[g: 5] Die Schweizer Bundeskanzlei lehnte diese Schreibweise bereits 2009 ab: „Keine adäquate Lösung ist die Einklammerung der weiblichen Endung: Gesuchsteller(in). In Klammern steht üblicherweise, was für das unmittelbare Verständnis nicht notwendig ist und deshalb überlesen werden kann.“[s: 5]
Im Jahr 1981 erfand der Journalist Christoph Busch mit dem Binnen-I eine neue Schreibweise für Kurzformen, die von ihm später beschrieben wurde als „Geschlechtsreifung des ‚i‘ [durch] Auswachsen zum ‚I‘ infolge häufigen Kontakts zum langen Schrägstrich“. In seinem Buch über Freie Radios zog er die gebräuchliche Form Hörer/Hörerinnen oder Hörer/-innen zusammen zu HörerInnen.[40] Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch – Mitautorin der ersten geschlechtergerechten Richtlinien ein Jahr zuvor – griff den Vorschlag bald auf und erklärte das Binnen-I zur angemessenen Form, Frauen schriftbildlich sichtbar zu machen und diskriminierungsfrei zu formulieren. Die Zielsetzung sei, zur Vermeidung von generischen Maskulinformen (Lehrer) nicht immer die Beidnennung (Lehrer und Lehrerinnen) ausschreiben zu müssen.[41] Zur Einsparung wird die weibliche Endung -in an die männliche Personenbezeichnung gehängt, und das i wird nun im Wortinneren großgeschrieben, um deutlich zu machen, dass nicht nur die weibliche Bezeichnungsform gemeint ist (sonst wäre es ein generisches Femininum: Lehrerinnen).[g: 6]
Eine psycholinguistische Studie (1993) ermittelte, dass Schreibweisen mit Binnen-I bei Versuchspersonen eher zu einer Nennung weiblicher Referenten führen als generische Maskulinformen (Lehrer) das tun.[31] 2001 kam eine Studie zu gleichen Ergebnissen (auch bei Beidnennung).[32] Die Schweizer Wochenzeitung WOZ verwendet das Binnen-I seit 1983, die Berliner Tageszeitung taz übernahm die Schreibweise in der Folge.[42] Ab 1999 zeigten einige Studien jedoch, dass die Verwendung des Binnen-I bei Versuchspersonen zu einer übermäßigen Nennung oder Repräsentation weiblicher Referenten führen kann.[43][36][44][44][33] Die Psychologin Lisa Irmen vermutete 2003, das Binnen-I werde von Lesenden eher wie ein Femininum (weibliche Form) verarbeitet; insofern bilde es keine wirklich geschlechtsneutrale Alternative.[45]
Die amtlichen Rechtschreibregeln enthalten keine Aussagen zu Großbuchstaben im Wortinneren (Binnenmajuskeln). Die Duden-Redaktion erwähnt 2020 den Sprachgebrauch des Binnen-I mit dem Vermerk: „vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt“.[25] Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache von Gabriele Diewald und Anja Steinhauer sieht Vorteile der Schreibweise „in einigen eher knapp gehaltenen Textsorten wie Tabellen, Listen, Protokollen usw.“ Es sei „eine Frage des Geschmacks […,] wenn Sie nicht an das amtliche Regelwerk gebunden sind und eigene Texte frei gestalten können.“[d: 10]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache „empfiehlt die Schreibung mit Binnenmajuskel nicht: Zwar wird sie von der offiziellen Rechtschreibung nicht explizit abgelehnt, da sie kein Bestandteil des amtlichen Regelwerks ist, allerdings entspricht sie eben auch nicht den geltenden Rechtschreibregeln.“ Als fehlerhaft wird vor allem angesehen, wenn sich nicht zwei lesbare Bezeichnungen ergeben, beispielsweise bei „KollegIn“ (Kollege fehlt) oder „den SchülerInnen“ (Schülern fehlt) oder bei Umlautungen wie „ÄrztIn“ (Arzt fehlt). Bei Wortgruppen wie „einE guteR SchülerIn“ entstehen fehlerhafte grammatische Bezüge der einzelnen Formen aufeinander (siehe Kritik am Binnen-I).[g: 6]
Die Schweizer Bundeskanzlei hielt 2009 in ihrem rechtsverbindlichen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen fest: „Das Binnen-I ist nicht zugelassen.“[s: 4]
Siehe oben: Aussprache von Kurzformen und Fehlende „dritte Option“
Im Jahr 2003 erfand der Sprachwissenschaftler Steffen „Kitty“ Herrmann eine neuartige Schreibweise für Kurzformen, um neben Männern und Frauen auch weitere biologische und soziale Geschlechter (Gender) typografisch sichtbar zu machen und einzubeziehen. Dazu ersetzte er den Schrägstrich (Leser/-in) durch einen Unterstrich: Leser_In, später Leser_in. Zum Unterstrich schrieb Herrmann damals: „Zwischen die Grenzen einer rigiden Geschlechterordnung gesetzt, ist er die Verräumlichung des Unsichtbaren.“[46] Ungenannt und damit unsichtbar bleiben bei zweigeschlechtlichen, binären Bezeichnungsformen alle Personen dritten Geschlechts oder nichtbinärer Geschlechtsidentität; sie haben keine Teilhabe an der „sprachlichen Gleichbehandlung“ (und sind nicht Teil der „Beid“nennung oder „Paar“form). Die Schreibweise mit Unterstrich wurde als „Gender-Gap“ (Gendergap) bekannt, abgeleitet vom sozialen Gender-Gap zwischen Frauen und Männern (von englisch gender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“, und gap „Lücke“), hier verallgemeinert zur schriftbildlichen „Lücke zwischen den beiden Geschlechtern“. Die Gleichstellung von Frau und Mann wurde weitergedacht zur „Gleichstellung aller Geschlechter“, um inter- und transgeschlechtliche Menschen sprachlich nicht auszugrenzen oder zu diskriminieren.[47][48]
Ab 2009 kam die Schreibweise mit Genderstern auf, wobei das Schriftzeichen „Sternchen“ als Platzhalter für alle Geschlechter/Gender im Schriftbild noch deutlicher hervortreten soll, um strahlenförmig eine Diversität anzudeuten. Es wurde in der Folge von einigen Gruppierungen, Verwaltungen und Medien übernommen (siehe Verbreitung des Gendersternchens). Ab 2019 folgte die Variante mit Gender-Doppelpunkt (siehe Verbreitung) und stellenweise wird auch der Mediopunkt – eigentlich ein Element der Leichten Sprache – in diesem Sinne verwendet (Lehrer·innen, ein·e Lehrer·in). Empfohlen werden Schreibweisen mit Genderzeichen vorrangig zur Vermeidung von generischen Maskulinformen (Lehrer) in knappen Texten wie Tabellen, Listen und Formularen. Im Singular kann auch eine Person bezeichnet werden, die nicht männlich oder weiblich ist: Alex ist ein*e Lehrer*in. In LGBT-Zusammenhängen ist die Schreibweise Trans*Personen oder eine trans* Person üblich.[49][50]
Eine erweiterte Bedeutung erhielten die genannten Genderzeichen und das Konzept der geschlechtergerechten Sprache insgesamt durch die Einführung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und 2019 in Österreich. Sie beinhaltet den rechtsverbindlichen Anspruch aller Personen außerhalb des zweigeschlechtlichen Systems auf eine entsprechende Benennung.[25] Die deutsche Sprache bietet für ein drittes Geschlecht keine passenden Bezeichnungsformen oder Pronomen, Anrede- oder Flexionsformen; grundsätzlich ungeeignet ist in Bezug auf Personen die Verwendung des dritten grammatischen Geschlechts Neutrum („sächlich“).[g: 2] Sowohl die Duden-Redaktion als auch die Gesellschaft für deutsche Sprache betonen diese Sachlage als ungelöstes sprachliches Problem.[25][g: 2]
Als unpassend wird bei manchen Schreibungen mit Genderzeichen angesehen, wenn sich nicht zwei einzeln lesbare Bezeichnungen ergeben, beispielsweise bei „Kolleg*in“ (Kollege fehlt) oder bei Umlautungen wie „Ärzt*in“ (Arzt fehlt). Bei Wortgruppen wie „ein*e gute*r Schüler*in“ stimmen die grammatischen Bezüge der einzelnen Formen zueinander nicht mehr: „ein gute Schüler/eine guter Schülerin“ (siehe oben zu Problemfällen bei Kurzformen).[g: 6]
Beim Vortragen werden Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder Binnen-I mit einer „Gender-Pause“ gesprochen, als ob an der Stelle ein Bindestrich stehen würde: Künstler-innen
[ˈkʏnstlɐˌʔ ɪnən], was einem Glottisschlag entspricht (siehe oben zur Aussprache von Kurzformen). Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnt Gender-Pausen als Mittel des geschlechtergerechten Sprechens grundsätzlich ab, weil unklar bleibe, wie sich diese Höreffekte verschriftlichen ließen (siehe GfdS-Kritik).
Amtliche Anerkennung
Die amtlichen Rechtschreibregeln enthalten keine Aussagen zu den Schriftzeichen Sternchen/Asterisk (*), Doppelpunkt (:), Unterstrich (_) oder Mediopunkt (·) im Inneren von Wörtern (Binnenschreibung).
Der Rat für deutsche Rechtschreibung untersuchte im November 2018 die Vorkommen der „unterschiedlichen Schreibweisen zur Darstellung der unterschiedlichen Geschlechter“ und stellte zur Frage der Aufnahme „verschiedener orthographischer Ausdrucksmittel wie Unterstrich (Gender-Gap), Asterisk (Gender-Stern)“ in die amtlichen Regeln fest (Details):
„Die Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts verläuft in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv. Sie soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beeinflusst werden. Der Rat wird auch weiterhin hierzu Analysen zum Schreibgebrauch in verschiedenen Medien und Gruppen von Schreibenden vornehmen.“[16]
Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache erklärte zur Normierung:
„Aktuell, im Frühjahr 2020, sind diese Möglichkeiten, d. h. Binnen-I, Genderstern, Gendergap, Doppelpunkt und Mediopunkt zwar noch nicht Bestandteil der amtlichen Rechtschreibung, doch sind die drei zuerst genannten als weitverbreitete und legitime Mittel des Strebens nach geschlechtergerechtem schriftlichen Ausdruck durchaus anerkannt und werden auch in den Sitzungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zumindest diskutiert – besonders der Gebrauch des Gendersterns wird von Rechtschreibrat intensiv beobachtet.“
Die Duden-Redaktion hatte sich 2018 beim Rechtschreibrat für die amtliche Anerkennung des Gendersterns eingesetzt. Der Rechtschreibduden erklärte in seiner 28. Auflage im August 2020 zur Schreibpraxis:
„Vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt sind Schreibweisen wie die folgenden:
- mit Genderstern (Asterisk): Schüler*innen
- mit Binnen-I (wortinterne Großschreibung): SchülerInnen
- mit Gender-Gap (Unterstrich; Doppelpunkt): Schüler_innen; Schüler:innen
- mit Schrägstrich ohne Ergänzungsstrich: Schüler/innen
Es ist zu beobachten, dass sich die Variante mit Genderstern in der Schreibpraxis immer mehr durchsetzt. Zu finden ist sie besonders in Kontexten, in denen Geschlecht nicht mehr nur als weiblich oder männlich verstanden wird und die Möglichkeit weiterer Kategorien angezeigt werden soll.“[51]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache machte im August 2020 deutlich, dass sie sämtliche Schreibweisen mit „Gendersternchen und Co.“ nicht als geeignetes Mittel ansehe, um diskriminierungsfreie Sprache umzusetzen (Details):[52]
„Die GfdS rät aus sprachwissenschaftlicher Sicht von der Verwendung dieser Formen geschlechtergerechter und genderneutraler Sprache ab. Dies hat verschiedene Gründe.
Die Formen entsprechen nicht den Regeln der deutschen Rechtschreibung […]
Durch ihre Verwendung können grammatisch falsche Formen entstehen […]
Die Formen werden uneinheitlich verwendet […]
Es ist unklar, wie die Formen in der gesprochenen Sprache realisiert werden sollen […]
Es ist unklar, wie Gender-Pausen verschriftlicht werden sollen […]
Zeichen in genderneutralen Personenbezeichnungen treten in anderen Kontexten auf […]“[53]
Zum Rechtsanspruch diversgeschlechtlicher Personen auf angemessene Benennung stellt die GfdS fest: „Neue Mittel sind nötig. […] Das Neutrum als drittes sogenanntes ‚sächliches‘ Genus im Deutschen dürfte in den Augen vieler nicht geeignet sein, Menschen zu bezeichnen. […] Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren“ (Details).[54]
Auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) bezieht sich auf den Rat für deutsche Rechtschreibung und erklärt in seinen Richtlinien: „Gendern durch Sonderzeichen und Typografie […] ist nicht zu empfehlen.“ Um die Vorlesbarkeit durch Personen oder Screenreader zu gewährleisten, sollten paarige Bezeichnungen immer ausformuliert werden (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).[55]
Generische Femininform
Die alleinige Verwendung eines generischen Femininums zur Personenbezeichnung vertritt seit 1984 die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache: „Das Femininum enthält ja auch sichtbar das Maskulinum: Lehrer ist in Lehrerin deutlich enthalten. Das Femininum ist die Grundform, das Maskulinum die Schwundform“ (siehe auch Puschs Kritik am Genderstern).[56][57] Im Jahr 1994 und später ab 2012 haben einige Gruppierungen und Behörden in bestimmten Geltungsbereichen ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen im geschlechterübergreifenden Sinne eingeführt; bekannt wurden 2013 die Universitäten in Leipzig und Potsdam (Details). Die bisher einzige feminine Berufsbezeichnung, die seit einiger Zeit auch amtlich für Männer zu verwenden ist (§ 3): Hebamme (zwischenzeitlich: Entbindungspfleger/Entbindungspflegerin).
Die Gesellschaft für deutsche Sprache äußert sich 2020 ablehnend zur Verwendung femininer Bezeichnungsformen im generischen Sinne: „Diese Lösung ist nicht geschlechtergerecht, denn hier wird das andere Geschlecht nicht explizit angesprochen, sondern ist nur ‚mitgemeint‘. Die Kritik, die am generischen Maskulinum geübt wird, trifft hier ebenfalls zu. Eine Gleichbehandlung, um die es bei geschlechtergerechter Sprache geht, ist beim generischen Femininum so wenig gewährleistet wie beim generischen Maskulinum.“[g: 7]
Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg merkte 2018 an, dass es einen generischen Gebrauch des Femininums in der deutschen Sprache nicht gebe.[58] 2020 präzisiert er: „Ein generisches Femininum gibt es im Deutschen nur bei Einzelwörtern, aber nicht als Strukturmerkmal produktiver Wortableitungen.“[59] Es gibt einige feminine Tierbezeichnungen, die generisch die Tierart, aber auch das weibliche Tier bezeichnen, etwa Katze (männlich: Kater) oder Gans (männlich: Ganter).
X-Endung
Lann Hornscheidt hat seit den 1990er-Jahren auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft an sprachlichen Mitteln zur Geschlechtsneutralität gearbeitet und 2014 eine Endungsbildung mit „x“ vorgeschlagen, um die beiden geschlechtsspezifischen Endungen -er und -in abzulösen: einx gutx Lehrx (ein/e gute/r Lehrer/in),[60] oder 2019 dex Radfahrex (der/die Radfahrer/in). Hornscheidt erklärte: „Dabei ist das System mit dem X viel einfacher als das gegenwärtige mit seinen drei Genusformen. Es geht aber nicht darum, überall ein X dranzuhängen oder neuen[sic!] Regeln einzuführen, sondern darum, uns Sprache wieder anzueignen.“[61] Für sich beansprucht Hornscheidt den geschlechtsneutralen Titel Profex Drex (Prof. Dr.).[62]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnt den Vorschlag ab: „Diese Lösung soll allen Geschlechtern gerecht werden, dies jedoch auf Kosten einer les- oder vorlesbaren Form. Auch grammatisch ist dieser Vorschlag in vielerlei Hinsicht nicht vertretbar, darüber hinaus leidet die Verständlichkeit massiv. Schwierigkeiten stellen zudem Artikel und Personal-/Possessivpronomen dar: Dx gutx Lehrx, Ex (Einx?) Schülx und x‘s Freundx“ (vergleiche Experimentelle X-Endung im Spanischen).[g: 8]
Den Mitteln zur sprachlichen Sichtbarmachung aller Geschlechter stehen sprachliche Mittel zur Neutralisierung gegenüber, um geschlechtliche Aspekte bei der Bezeichnung von Personen auszublenden. Hierzu werden sowohl auf der grammatischen wie auf der semantischen Ebene alle Bezugnahmen (Referenzen) auf das biologische oder soziale Geschlecht (Gender) von Menschen vermieden und nur eindeutig genderneutrale Bezeichnungsformen und Formulierungen verwendet (Sexus-indifferent).
Diversgeschlechtliche Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität sollen sich durch Paarformen mit maskuliner und femininer Endung nicht ausgeschlossen fühlen (vergleiche Soziale Inklusion). Ein bekanntes Beispiel ist Lann Hornscheidt, eine Person, die sich als neutrois definiert – die Bezeichnung als Sprachwissenschaftler oder als Sprachwissenschaftlerin entspräche nicht Hornscheidts sozialem Geschlecht (siehe oben Fehlende „dritte Option“). Neutrale Umschreibungen könnten sein: ist sprachwissenschaftlich tätig oder hat eine sprachwissenschaftliche Professur (siehe auch Genderneutrale Schreibung für Diversgeschlechtliche).
Die Projektleiterin der vom deutschen Bundesfrauenministerium geförderten Plattform Genderleicht.de, Christine Olderdissen, empfiehlt zum Gendern: „Geht es in dem Satz, den Sie gerade schreiben wollen, gar nicht um konkrete Personen, geschweige denn um deren Geschlecht, wählen Sie geschlechtsneutrale Formulierungen, […] Oberbegriffe, Synonyme, Umschreibungen, Partizipien – es gibt so viele Variationen, dasselbe zu sagen. Wählen Sie das zu Ihrem Schreibstil Passende. […] Der wichtigste Tipp, um aus der Schreibroutine des generischen Maskulinums herauszukommen, ist die Rückkehr zum Beschreiben von Tätigkeiten: Steuerzahler → wer Steuern zahlt; alle, die Steuern zahlen; […] beim Steuerzahlen“.[63]
Zur sprachlichen Neutralisierung aller Gender-Aspekte gibt es verschiedene Mittel:
Es gibt einige wenige Bezeichnungen, deren grammatisches Geschlecht (Genus, Plural Genera) in keinem Bezug steht zum Geschlecht/Gender der sprachlich referierten Personen (Sexus). Diese Oberbegriffe sind aus sich heraus „generisch“ und geschlechterübergreifend (inhärent sexusindifferent). Sie liegen nicht in geschlechtsbezogener Paarform vor und feminine Ableitungen werden nicht gebildet, weshalb sie bedenkenlos für Personen aller Gender zu verwenden sind.[g: 9][d: 13] Die Duden-Grammatik von 2016 definiert: „Klasse A umfasst Personenbezeichnungen, die nur sexusindifferent gebraucht werden. […] es kommen faktisch alle drei Genera vor“ (der Star, die Nachtwache, das Individuum). Keinen Genus hat das geschlechtsneutrale Pluralwort Leute (vergleichbar zu Eltern); mit der Endung -leute kann der geschlechterübergreifende Plural von Zusammensetzungen mit -mann oder -frau gebildet werden: Fachmann/Fachfrau → Fachleute.[64]
Um das Geschlecht anzugeben, müssen solche unspezifischen Bezeichnungen mit einem Adjektiv ergänzt (eine weibliche Person) oder durch den passenden Unterbegriff (Frau) ersetzt werden. Der Oberbegriff Mensch wird nicht geschlechtsbezogen ergänzt, sondern gleich spezifiziert als Frau oder Mann, ein Kind als das Mädchen (Mädel) oder der Junge (Knabe, Bube, Bursche).[d: 14]
Einige der unspezifischen Bezeichnungen haben keine sexusbezogenen Unterbegriffe, beispielsweise:
Allerdings findet sich die feminine Form Gästin bereits althochdeutsch als kestîn und mittelhochdeutsch als gestinne, gestîn,[65][24] der Duden führt Gästin als „selten, weibliche Form zu Gast“[66] – würde ihr Sprachgebrauch in nennenswertem Umfang zunehmen, gälte die Begrüßung „Gäste sind willkommen!“ nicht mehr als geschlechtergerecht (Gästinnen würde fehlen). Umgekehrt ist von dem femininen Wort die Geisel keine Ableitung einer maskulinen Form möglich. Allerdings gab es einige unbedarfte Versuche, Mitgliederinnen anzusprechen. Stellenweise werden weibliche Ableitungen von generischen Substantiven auch absichtlich gebildet, um das Gendern zu überspitzen (unkorrekt: Menschin, Personin, Mitgliederin).[g: 9]
Eine Sonderstellung hat der Spitzel, eigentlich eine Verkleinerungsform des Spitz-Hundes, aber nicht grammatisch sächlich wie das Mädel, das Bübel.
Eine kleine Gruppe von Substantiven wurde aus dem Englischen, wo sie kein grammatisches Geschlecht haben und für alle Geschlechter stehen können, entlehnt und im Deutschen als maskulin eingeordnet: der Fan, Geek, Nerd, Star, Teenager. Zu diesen sexusindifferenten Bezeichnungen gibt es nur selten Gelegenheitsbildungen wie Nerdin oder Teenagerin.
Bezeichnungen auf -ing
Maskulina mit dem Ableitungssuffix -ling haben geschlechterübergreifende Bedeutung und keine weibliche Form, werden aber nicht immer als neutral angesehen. So wurde die Bezeichnung Flüchtlinge zwar zum Wort des Jahres 2015 gewählt, aber die verantwortliche Gesellschaft für deutsche Sprache merkte an: „[…] klingt Flüchtling für sprachsensible Ohren tendenziell abschätzig: Analoge Bildungen wie Eindringling, Emporkömmling oder Schreiberling sind negativ konnotiert, andere wie Prüfling, Lehrling, Findling, Sträfling oder Schützling haben eine deutlich passive Komponente. Neuerdings ist daher öfters alternativ von Geflüchteten die Rede.“[67] In Deutschland wurde die Bezeichnung Lehrling bereits 1969 durch das Berufsbildungsgesetz mit dem substantivierten Partizip Auszubildender ergänzt oder ersetzt, um mit der Betonung von „Bildung“ auch einen inhaltlichen Wandel anzuzeigen (aus Lehrherr wurde Ausbildender; die Pluralformen Auszubildende und Ausbildende sind geschlechtslos).
Substantivierungen, die sich auf Personen beziehen, haben von sich aus gar kein grammatisches Geschlecht (Genus) und sind geschlechtsneutral. Im Singular richtet sich das Genus nach dem Geschlecht der gemeinten Person (Sexus), fachsprachlich eine „semantische Kongruenz“. Das gemeinte Geschlecht wird nur zugewiesen durch den bestimmten Artikel (der/die Studierende), kann aber durch Abkürzung neutralisiert werden (d. Erziehungsberechtigte). Der unbestimmte Artikel für einen Mann zeigt die maskuline Wortform (ein Studierender), während eine Studierende die feminine Form für eine Frau ist. Nicht geeignet sind aus Partizipien oder Adjektiven gebildete Substantive zur Ansprache oder Beschreibung einer einzelnen diversgeschlechtlichen oder nichtbinären Person. Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache stellt 2020 fest: „Aus dieser Tatsache, dass der Plural kein Genus zeigt, ergibt sich eine wichtige Überlegung für gendergerechte Sprache“.[d: 15] Die Gesellschaft für deutsche Sprache merkt zum Plural an: „Statt geschlechtsbezogener Formen kann bei deverbalen Substantiven/Personenbezeichnungen sprachökonomisch geschlechtergerecht formuliert werden“; allerdings funktioniert das nicht bei Bezeichnungen wie Schüler/-innen oder Kolleginnen/Kollegen.[g: 10]
Partizip I
Das Partizip Präsens eines Verbs wird gebildet durch das Anhängen von „-end“ an den Wortstamm: studieren → studierend, substantiviert Studierende (nur männlich: ein Studierender). Die Gesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt Partizipialformen: „Statt: die Teilnehmer, die Studenten – Besser so: die Teilnehmenden, die Studierenden“.[g: 10] Den frühen Gebrauch von Lehrende findet der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch beispielsweise 1839 in Verordnungen zu preußischen Universitäten: „Lehrende waren schon damals eben nicht nur Professores verschiedenster Art, sondern auch Privatdozenten, Repetenten, Sprachmeister und Exerzizienmeister (letzere drei Gruppen dürften grob heutigen ‚Lektoren‘ und ‚Lehrkräften für besondere Aufgaben‘ entsprechen). Für die brauchte und braucht man einen Oberbegriff, und die Wahl fiel – vielleicht, weil Lehrer/in schon anderweitig vergeben war – auf das auch heute noch gebräuchliche Lehrende.“[68]
Manchmal wird als Einwand vorgebracht, eine solche Substantivierung könne sich nur auf Personen beziehen, welche die entsprechende Tätigkeit in einem bestimmten Moment gerade ausführten. So sei Studierende nur für Personen korrekt, die tatsächlich gerade lernten; zuweilen folgt ein Hinweis auf „verstorbene Studierende“. Das Duden-Handbuch stellt demgegenüber fest: Ein momentanes Tätigsein oder eine Gleichzeitigkeit ist keine zwingende Bedingung für die Wortbedeutung, wie das Beispiel Vorsitzende eines Vereins zeigt – Vorsitzende bleiben dies auch, wenn sie schlafen, und sie werden auch rückwirkend so bezeichnet (ähnlich Alleinerziehende, Arbeitssuchende, Auszubildende). Substantivierte Partizipien können manchmal eine innewohnende (inhärente) Eigenschaft beschreiben, abhängig davon, was genau das entsprechende Verb bedeutet (Fliegende Fische, fahrendes Volk). Alle Studierenden sind auch dann Studierende, wenn sie gerade im Kino sitzen.[d: 16] Die Bezeichnung ist bereits seit dem 18. Jahrhundert in Gebrauch, in Zedlers Enzyklopädie von 1744 ist ein Eintrag übertitelt mit „Student, Studenten, Studirende“;[69] 1801 führt das Churfürstliche Schulhaus München ein „Verzeichniß der Studierenden“ (siehe Sprachgebrauch von „Studierende“).[d: 16] Der Rechtschreibduden verzeichnet in seiner 28. Auflage im August 2020: „Als geschlechtsneutrale Bezeichnung setzt sich die Form Studierende immer mehr durch. Sie wird auch verwendet, wenn man die Paarformel Studenten und Studentinnen nicht zu oft wiederholen will.“[70]
Die Schweizer Bundeskanzlei merkt 2009 zum Partizip I an: „Wenn kein entsprechender Ausdruck auf -er existiert, so werden auch längere Partizip-I-Formen in der Regel nicht als ungewohnt wahrgenommen (z. B. Kunstschaffende, Reisende, Leidtragende, zu denen es keine Formen wie Kunstschaffer/Kunstschafferinnen, Reiser/Reiserinnen, Leidträger/Leidträgerinnen gibt).“[s: 6]
Partizip II
Das Partizip Perfekt von Verben wird oft gebildet mit der Vorsilbe „ge-“ und der Endung „-t“: anstellen → angestellt → Angestellte (aber: ein Angestellter). Gebräuchliche Beispiele sind Beteiligte, Betroffene, Vorgesetzte. In dieser Art können auch kreative Lösungen zur geschlechtsneutralen Benennung oder Ansprache gebildet werden, sofern die gebildete Form lesbar und verständlich bleibt.[d: 16]
Adjektive
Die Substantivierung von Adjektiven erfolgt meist wie die Beugung normaler attributiver Adjektive: die berufstätige Frau → die Berufstätige (aber: ein Berufstätiger). Gebräuchliche Beispiele für Substantivbildungen sind Jugendliche, Kranke, Verwandte. Berufsbezeichnungen können umformuliert werden zu Angehörige des Kollegiums oder Angehörige des Arztberufs (Komposita werden selten gegendert[g: 11]). Zur geschlechtsneutralen Verkürzung der Beidnennung „Damen und Herren“ eignet sich die persönliche Ansprache: Liebe Anwesende!
Sachbezeichnungen beziehen sich nicht in direkter Weise auf Personen, aber es gibt viele, die abstrakt auf Funktionsträger oder kollektiv auf soziale Gruppen bezogen sind (vergleiche Kollektivnamen); die Wortbildung endet oft auf -kraft, -ung, -schaft und dergleichen. Einige dieser Bezeichnungen eignen sich für Einzelpersonen (die Lehrkraft für besondere Aufgaben, das Staatsoberhaupt, Anton hat die Leitung). Bei anderen tritt der Aspekt des Handelns so sehr in den Hintergrund, das es unpersönlich und sachlich wirken kann (das Direktorium). Manchmal ist diese Sachlichkeit aber von Vorteil, um die Verwendung generischer Maskulinformen zu vermeiden: die Zuhörer → das Publikum, oder umformuliert: Messebesucher links abbiegen. → Zur Messe links abbiegen.[d: 17]
Mit sachlichen Bezeichnungen ändern sich die maskulinen Formen Regisseur & Autor zu Regie & Drehbuch, der Bäcker zur Bäckerei und der Pfleger zur Pflegekraft. Eine Damen-Mannschaft wird zum Frauenteam. Manchmal hilft eine Suche nach Synonymen (Ansprechpartner → Ansprechperson, Kontakt; Mädchenname → Geburtsname) oder ein beschreibender Ausdruck (Kundenberatung → Kundschaftsberatung; Fußgängerweg → Gehweg). Stellenausschreibungen können statt mit angefügter Genderklammer (m/w/d) geschlechtsneutral formuliert werden: Redaktionsstelle/Praktikum zu vergeben.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt Sachbezeichnungen als Ersatzformen:
Gisela Zifonun, bis 2011 Leiterin der Abteilung Grammatik am Institut für Deutsche Sprache, merkte 2018 kritisch an: „Leider ist mit Person und Kraft als Anhängsel an funktions- oder aufgabenbezeichnende Wortstämme meist schon das Ende der angemahnten Kreativität erreicht. Eine Welt voller Back- und Linguistikkräfte oder Lehr- und Arztpersonen erscheint mir persönlich ziemlich unwirtlich.“[71]
Um jegliche Personenbezeichnung in maskuliner oder femininer Form („gendermarkiert“) zu vermeiden, gibt es unterschiedliche Mittel:
Als Ersatz für Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen kann stellenweise ein Adjektiv genutzt werden, um geschlechtlichen Bezug auszublenden und eine „Gendermarkierung“ zu vermeiden.[g: 13] Die Wandlung des Substantivs in ein beschreibendes Attribut entfernt den Genderbezug: als Arzt tätig sein → ärztlich tätig sein (halbwegs neutral: den Arztberuf ausüben, weil zusammengesetzte Wörter im Allgemeinen nicht gegendert werden[g: 11]):[d: 18]
Das Umformulieren mit Relativsätzen bietet Möglichkeiten zur Neutralisierung, die zwar etwas mehr Platz beanspruchen, aber auflockernd wirken können und stilistische Abwechslung anbieten (Teilnehmer → alle, die teilnahmen; Antragsteller → Personen, die einen Antrag stellen).[d: 19]
Das Relativpronomen wer bietet Möglichkeiten für neutrale Formulierungen, wenn auf die Wiederaufnahme mit dem maskulinen Pronomen der verzichtet wird: wer helfen will, (der) ist willkommen. Je nach Textsorte beanspruchen solche Verallgemeinerungen kaum mehr Platz (Der Antragsteller hat … → Wer einen Antrag stellt, hat …). Das Umschreiben eignet sich auch für Personen, die Verbrechen begehen: Betrüger werden bestraft → Wer betrügt, wird bestraft (vergleiche Generische Maskulinformen im deutschen Strafrecht).[g: 14][d: 19] Bereits im Jahr 1616 erklärte eine der ersten Grammatiken des Deutschen, das Pronomen wer beziehe sich sowohl auf Männer wie auf Frauen und habe eine generische (commune) Bedeutung: „Wer ist jedoch commune hinsichtlich Maskulinum und Femininum, denn sein Neutrum ist was.“[72] Als Interrogativpronomen kann wer sich auch allgemein auf belebte Substantive beziehen, wohingegen was auf Sachen bezogen ist („sächlich“: Was ist das?).
Durch eine Passiv-Formulierung (Passivierung) kann vermieden werden, überhaupt Personen zu nennen: Der Antragsteller muss folgende Unterlagen beifügen → Folgende Unterlagen sind beizufügen. Allerdings muss bei unpersönlichen Konstruktionen klar sein, an wen sich die Äußerung richtet, weil sich das Subjekt ändert. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, kann es manchmal notwendig sein, die handelnden Personen zu benennen und im Aktiv anders zu formulieren.[d: 20][g: 15]
Auch umgangssprachliche Formulierungen mit dem generalisierenden Personalpronomen man (ein generisches Maskulinum) können passiviert werden: man sollte darauf achten → es sollte darauf geachtet werden (an passender Stelle auch: wir sollten darauf achten). Die gängige Behauptung: Man macht es halt so. lautet im Passiv: Es wird halt so gemacht. Das Bekenntnis: Man kennt das ja. lautet im Passiv: Das ist ja bekannt. Das Pronomen man hatte schon im Althochdeutschen die allgemeine Bedeutung „irgendeine Person, jeder beliebige Mensch“ (wie auch das französische on).[d: 20] Zu vermeiden ist die unbedachte Verwendung des maskulinen Possessivpronomens: Man liebt doch seine Eltern! Diese Aussage soll zwar auf die sprechende Person selbst bezogen sein im Sinne von Ich liebe doch meine Eltern, ist aber mehrdeutig – es könnten auch die beliebten Eltern eines (anderen) Mannes gemeint sein (Seine Eltern sind doch beliebt!) zur Unterscheidung von einer weiblichen Person (Man liebt ihre Eltern).
Durch eine persönliche Anrede können generische Maskulina oder Doppelformen vor allem in formalen Zusammenhängen vermieden werden, um nicht-männliche Personen unter den Adressaten nicht als männliche Antragsteller, Besucher, Leser, Zuschauer anzusprechen (vergleiche Gerichtsverfahren zum Sparkassen-„Kunden“). Auch sind Höflichkeitsformen wie Sie und Ihre kürzer:[d: 21]
Eine Forschungsgruppe um die Sprachwissenschaftlerin Friederike Braun schrieb 2007:
„Gegen geschlechtergerechte Alternativen zum generischen Maskulinum wird häufig eingewandt, dass sie die Qualität und die kognitive Verarbeitung von Texten beeinträchtige […].“[73][74]
In mehreren empirischen sprach- und sozialwissenschaftlichen Studien ab 1994 wurde Akzeptanz und Verständlichkeit von geschlechtergerechter Sprache untersucht. Sascha Demarmels und Dorothea Schaffner hielten 2009 zu sieben Studien fest, dass bei ihnen die subjektive Beurteilung der Verständlichkeit geschlechtergerechter Sprachformen als hoch zu beurteilen sei.[75]
Das Duden Handbuch geschlechtergerechte Sprache fasst 2020 die Ergebnisse der vorliegenden Studien zusammen:
„Bei diesen und weiteren Studien, die mit verschiedenen Varianten von Texten arbeiten, ergibt sich also ein im Detail differenziertes, in der Tendenz jedoch eindeutiges Bild:
- Lesefreundlichkeit und Textverständlichkeit werden durch geschlechtergerechte Formulierungen nicht erschwert.
- Subjektive Bewertungen der Textqualität/Textästhetik ergeben ebenfalls, dass insgesamt geschlechtergerechte Formen nicht negativ ins Gewicht fallen. Kleine Abweichungen ergeben sich insofern, als Männer in geringem Umfang die Maskulinformen besser bewerten.
- Die kognitive Einbeziehung von Frauen ist bei verschiedenen Sprachformen sehr unterschiedlich:
- Die Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ erzeugt eine mentale Repräsentation bei den Textrezipierenden, in der Frauen nur zu einem sehr geringen Anteil an den Ereignissen beteiligt sind oder gar nicht als Akteurinnen in Erwägung gezogen werden.
- Zugleich wird bei Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ der Anteil von Männern überschätzt.
- Geschlechtergerechte Formen verbessern in unterschiedlichem Umfang den geistigen Einbezug von Frauen.“
Rothmund, Christmann (2002)
Die Psychologinnen Jutta Rothmund und Ursula Christmann fanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der subjektiven Verständlichkeit der verschiedenen Sprachformen oder Schreibweisen. 220 Personen beurteilten Texte anhand von drei Verständlichkeitsmaßen (Lesbarkeit, sprachliche Prägnanz, inhaltliche Interessantheit) sowie sprachlicher Ästhetik als weiteren Aspekt der Textqualität. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen generischem Maskulinum und unterschiedlichen Alternativformen (etwa Beidnennung, Verwendung des Wortes Personen, Mischung mit generischen Maskulinformen) hinsichtlich der subjektiven Verständlichkeit. Einen signifikanten Effekt gab es nur hinsichtlich der subjektiven Beurteilung der sprachlichen Ästhetik, die bei der Beidnennung in Kombination mit der Ersetzung durch das Wort Person schlechter ausfiel als beim generischen Maskulinum.[76]
Braun und andere (2007)
Friederike Braun überprüfte mit ihrer Forschungsgruppe am Sprachseminar der Universität Kiel, wie gut Versuchspersonen die Texte der Packungsbeilagen von Medikamenten verarbeiteten und reproduzierten, die sich nur hinsichtlich der Form der Personenbezeichnung voneinander unterschieden (generisches Maskulinum, Beidnennung und Neutralisierungen, Binnen-I).[73][74] Darüber hinaus bewerteten die Versuchspersonen den Text im Hinblick auf verschiedene Merkmale der Textqualität (Verständlichkeit, Güte der Formulierungen und Lesbarkeit). Hinsichtlich des Kriteriums der Verarbeitung und der Erinnerung gab es keine Unterschiede: Weibliche und männliche Teilnehmende zeigten bei allen drei Sprachformen eine ähnlich gute Verarbeitungs- und Erinnerungsleistung. Das Resultat dieser Studie lautete, dass geschlechtergerechte Texte ähnlich erfolgreich verarbeitet werden können wie Texte mit generischen Maskulinformen und dass die Erinnerungsleistung durch geschlechtergerechte Formen nicht reduziert wird.[73][77] Eine Besonderheit der Studie ist nach Angaben der Autorinnen, dass darin „nicht nur – wie in bisherigen Studien – die subjektive Bewertung verschiedener Merkmale der Textqualität erfasst wurde, sondern auch die Erinnerungsleistung für Informationen im Text als objektives Kriterium der erfolgreichen Informationsverarbeitung.“[73][74][d: 23]
Blake, Klimmt (2010)
Am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover ließen Christopher Blake und Christoph Klimmt 204 Versuchspersonen einen Nachrichtentext lesen und subjektiv hinsichtlich Lesbarkeit und Textästhetik beurteilen. Als weiterer Indikator der Lesbarkeit wurde die benötigte Lesezeit pro Zeichen gemessen. Der Nachrichtentext verwendete entweder generisch maskuline Personenbezeichnungen, Beidnennungen, Binnen-I oder geschlechtsneutrale Formulierungen. Hinsichtlich der subjektiven Lesbarkeitsurteile der Befragten und ihrer Einschätzung der sprachlichen Ästhetik gab es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den generischen Maskulinformen und den drei alternativen Formen der Personenbezeichnung. Die Lesezeit pro Zeichen war beim Binnen-I etwas langsamer (durchschnittlich 4,6 Millisekunden pro Zeichen) als bei den anderen Schreibweisen (jeweils 58 Millisekunden pro Zeichen).[34] Die sprachliche Form hatte einen deutlichen Effekt bei Beidnennung und Binnen-I: Sie erhöhten den geschätzten Frauenanteil. Dagegen wurde beim generischen Maskulinum der Männeranteil überschätzt.[d: 23] Eine wiederholte Studie an 325 Versuchspersonen bestätigte diese Ergebnisse.[34]
Friedrich, Heise (2019)
Am Institut für Pädagogische Psychologie der TU-Braunschweig untersuchten Marcus Friedrich und Elke Heise anhand eines Experiments mit 355 Studierenden, ob der Stromliefervertrag eines deutschen Stromversorgers mit generischen Maskulinformen verständlicher war als die geschlechtergerecht überarbeitete Version mit 39 Beidnennungen anstelle der ursprünglichen Maskulinformen (Kontoinhaber oder Kontoinhaberin statt Kontoinhaber, er oder sie statt nur er). Die Bewertung der Textverständlichkeit durch die Testpersonen ergab keinerlei Unterschiede zwischen den Versionen.[78][d: 22]
Siehe unten: Studien zur Akzeptanz geschlechtergerechter Sprache
Die ersten Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs im Deutschen wurden verfasst von den vier Sprachwissenschaftlerinnen Senta Trömel-Plötz, Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt und Luise F. Pusch und 1980 in der Fachzeitschrift Linguistische Berichte veröffentlicht.[8] Die Autorinnen stellten darin auf sechs Seiten vielen Beispielen von „sexistischer Sprache“ „geschlechtergerechte Alternativen“ gegenüber. Als Zielgruppen nannten sie Institutionen, die Sprache unterrichten, wie Schulen und Universitäten, und solche, die Sprache verbreiten, wie Medien und Verlagshäuser.[79]
„Der Befund über den negativen Zustand von Sprache und Sprachgebrauch wurde in dieser Zeit tendenziell mit dem Stichwort ‚sexistisch‘ belegt und definiert“, schreibt das Duden-Handbuch 2020.[d: 24] Die vier Autorinnen hielten 1980 fest:
„Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistungen ignoriert, wenn sie Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt, wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt und ihnen so über das Stereotyp hinausgehende Interessen und Fähigkeiten abspricht und wenn sie Frauen durch herablassende Sprache demütigt und lächerlich macht.“[80]
In Österreich hatten öffentliche Diskussionen über das Gleichbehandlungsgebot bei Stellenausschreibungen zur Folge, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak mit einer empirischen Studie betraute. Sie sollte die Problemstellung untersuchen und Empfehlungen aus soziolinguistischer und sprachwissenschaftlicher Sicht vorlegen. Die 1987 erschienene Broschüre Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann richtete sich an eine breite Öffentlichkeit und gilt als die erste linguistische Anwendungshilfe zur sprachlichen Gleichbehandlung in Österreich.[79][81]
Auf internationaler Ebene wurde „sexistischer Sprachgebrauch“ auf der 24. Generalkonferenz der UNESCO 1987 thematisiert. Es schloss sich eine Resolution an, die für die Sichtbarmachung von Frauen in der Sprache plädierte. 1989 erschienen Broschüren mit Richtlinien für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch auf Französisch und Englisch, welche die Sprachwissenschaftlerin Marlis Hellinger und die Romanistin Christine Bierbach im Auftrag der deutschen UNESCO-Kommission mit der Broschüre Eine Sprache für beide Geschlechter 1993 umsetzten.[82][79]
Praktische Erläuterungen mit Beispielen zur sprachlichen Gleichbehandlung und Sichtbarmachung von Frauen in der deutschen Rechtssprache und in Gesetzestexten entwickelte 1993 die Sprachwissenschaftlerin Ingrid Guentherodt.[83][79]
In der Schweiz ist seit 1990 laut einem Forschungsbericht der Universität Genf von 2017 empfehlende Literatur zur Anwendung geschlechtergerechter Sprache stetig angewachsen. Jede Universität und Fachhochschule besitzt einen eigenen Leitfaden, zahlreiche Stadtverwaltungen, Unternehmen und andere Institutionen stellen Anwendungshilfen bereit oder publizieren Ratgeber. Empfehlende Texte sind dabei per se nicht verbindlich. Sie haben mit sprachregulierenden Texten, etwa für Behörden, den gemeinsamen Zweck, geschlechtergerechten Sprachgebrauch innerhalb von Verwaltungen zu etablieren.[84]
Die Gleichstellungsbüros vieler Hochschulen und Behörden in Deutschland und Österreich haben eigene Sprachleitfäden für gendergerechte Sprache herausgegeben. Teilweise empfehlen sie ausdrücklich zur Einbeziehung von intergeschlechtlichen oder nichtbinären Personen mehrgeschlechtliche Schreibweisen mit Genderzeichen. Die Leitfäden gelten in der Regel für die interne und externe Kommunikation und für Stellenausschreibungen, an Hochschulen aber nicht für wissenschaftliche Arbeiten.
Im deutschsprachigen Raum haben Regierungsbehörden ab 1980 viele Gesetze, Verwaltungsvorschriften und Erlasse herausgegeben, die für die juristische Fachsprache – das sogenannte „Amtsdeutsch“ – eine Verwendung von geschlechtergerechter Sprache empfehlen oder normativ vorschreiben. Vorrangig betrifft das die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter unter Vermeidung generischer Maskulinformen (alle Lehrer). Der Geltungsbereich der Vorschriften umfasst Gesetzentwürfe sowie die interne und externe Kommunikation der Behörden und nachgeordneten Dienststellen, stellenweise auch den Bildungsbereich. Die folgende Übersicht listet bedeutende Verordnungen in zeitlicher Abfolge (siehe unten Österreich, Schweiz):
Deutschland
Österreich
Schweiz
Viele Hochschulen der drei D-A-CH-Länder veröffentlichten eigene Sprachleitfäden mit teils unterschiedlichen Vorschlägen bezüglich geschlechtergerechter oder -neutraler Sprache zur Vermeidung generischer Maskulinformen. Einer der ersten in Deutschland war 1999 der Leitfaden Gleichstellungsgerechte Sprache – ist dies wirklich unwichtig? von der Gleichstellungsbeauftragten der Universität Passau.[85] Als einer der frühesten gilt auch der 32-seitige Ratgeber Geschlechtergerecht in Sprache und Bild der Universität Linz vom Januar 2009.[86][87] Eine Studie von 2011 untersuchte 12 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnete universitäre Gleichstellungskonzepte und beurteilte 95 bis 99 % der in ihnen verwendeten Bezeichnungen als „geschlechtergerecht“ (Beidnennung, Schrägstrich, Neutralisierung); auf den Webseiten der betreffenden Hochschulen fanden sich in 82 % aller Fälle geschlechtergerechte Formulierungen.[87]
2017 untersuchte das Forschungsprojekt „Geschlechtergerechte Sprache in Theorie und Praxis“ (geleitet von Gabriele Diewald) die 80 deutschen Sprachleitfäden, die Universitäten und Fachhochschulen bis dahin veröffentlicht hatten (30 bis 40 % aller Hochschulen). In der Regel hatten die Leitfäden nicht den Charakter einer verbindlichen Dienstanordnung, sondern waren Ratgeber zu gendergerechten Formulierungsmöglichkeiten. Während die frühen Leitfäden von Sprachwissenschaftlern geschrieben worden waren, übernahmen das in der Folge die Gleichstellungsstellen selber; nicht immer war erkennbar, wer die Vorschläge erarbeitet hatte. Eine Einheitlichkeit der sprachlichen Praxis war nicht festzustellen.[88]
Gendergerechte, geschlechtersensible Sprache
Nach den Verfassungsurteilen zur dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2017 und Österreich 2018 haben viele Gleichstellungsbeauftragte in Absprache mit Leitungsgremien und Fachabteilungen ihre internen Empfehlungen und Leitlinien angepasst, um in der offiziellen Kommunikation auch weitere Geschlechter und Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen („Inter- und Trans*-Personen“). Entsprechend finden sich zunehmend Bezeichnungen wie „gendergerechte“ oder „geschlechtersensible Sprache“, um die soziale Inklusion zu verdeutlichen.
Fast alle öffentlich publizierten Hochschul-Leitfäden empfehlen mittlerweile geschlechtsneutrale Formulierungen (Studierende; alle, die studieren), teils legen sie das Hauptgewicht darauf. Während viele Leitfäden noch die Beidnennung empfehlen (Studentinnen und Studenten), lehnen andere dies als zweigeschlechtliche Lösung ab, ebenso den Schrägstrich oder das Binnen-I. Zu abgekürzten Schreibweisen geben einige Hochschulen spezielle Empfehlungen, insbesondere für knappe Texte – viele empfehlen das Gendersternchen zur Sichtbarmachung aller Geschlechter, so auch der Verband der neun German Universities of Technology (TU9).[89] Die nachfolgende Liste enthält eine Auswahl der Empfehlungen, sortiert nach Ländern (Stand Mai 2020):
*
innen 24 = 80 % von 30 Leitfäden:
innen 02 = 07 %_
innen q16 = 53 %/
innen 09 = 30 %I
nnen 0rr5 = 17 %Hochschule | Empfehlung für abkürzende Schreibweisen | seit | *
|
:
|
_
|
/
|
I
|
… |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Uni Aachen (RWTH) |
|
30.09.2017 [90] |
* | _ | / | i | ||
|
24.01.2017 [91] |
* | _ | |||||
Uni Berlin (HU) |
ff– Zweigeschlechtliches: veraltet |
01.12.2019 [92][93] |
* | _ | ||||
Uni Berlin (TU) |
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
05.02.2020 [94] |
* | _ | ||||
|
01.07.2019 [95] |
* | ||||||
|
11.02.2019 [96] |
* | ||||||
Uni Darmstadt (TU) |
|
01.03.2017 [97] |
* | _ | ||||
Uni Dresden (TU) |
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
15.01.2020 [98] |
: | |||||
|
01.07.2017 [99] |
* | _ | / | ||||
|
31.07.2019 [100] |
/ | ||||||
|
20.09.2016 [101] |
* | ||||||
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
01.09.2019 [102] |
* | ||||||
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
01.05.2019 [103] |
* | ||||||
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
01.04.2019 [104] |
* | _ | |||||
|
19.02.2020 [105] |
* | _ | / | ||||
|
22.01.2020 [106] |
* | ||||||
|
23.10.2019 [110] |
_ | F | |||||
|
30.04.2020 [111] |
* | ||||||
|
01.10.2016 [112] |
* | _ | / | i | |||
Uni München (TU) |
|
01.01.2020 [113] |
* | _ | ||||
|
11.05.2020 [115] |
* | _ | F | ||||
|
24.03.2020 [116] |
* | ||||||
|
28.03.2018 [117] |
* | _ | |||||
Uni Weimar |
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
27.04.2020 [118] |
* | : | _ | |||
|
01.10.2019 [119] |
* | ||||||
|
21.11.2018 [120] |
/ | ||||||
Uni Graz (Medizin.) |
|
01.08.2014 [121] |
/ | i |
| |||
|
01.01.2009 [86] |
/ | i | |||||
ff– nichts Zweigeschlechtliches |
01.12.2019 [122] |
* | _ | |||||
|
01.03.2017 [123] |
/ | i | |||||
|
01.05.2018 [124] |
* | _ | / |
Deutschlandradio
Im März 2019 verteilte die öffentlich-rechtliche Mehrländeranstalt Deutschlandradio intern einen Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache, um einen „weiteren Schritt in Richtung Diskriminierungsfreiheit und Gendersensibilität“ zu gehen. Er enthält Anregungen für die hausinterne Kommunikation sowie die drei bundesweiten Hörfunkprogramme Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova, beispielsweise: „Statt: ‚Parlamentarier‘ – Fair: ‚Abgeordnete‘“. Intendant Stefan Raue erklärte, der Leitfaden sei nicht verpflichtend, „zugleich sollte sich aber jeder Gedanken darüber machen, wie wir Vielfalt besser abbilden können“. Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder kritisierte den Leitfaden und merkte an: „Gendern führt auch zu absurden Verrenkungen, wie z. B. ‚verstorbene Studierende‘.“[125]
ARD
Im Februar 2019 verbreitete der Norddeutsche Rundfunk intern seinen Leitfaden Sprache schafft Bewusstsein mit „Anregungen für eine zeitgemäße und faire Sprache im NDR. Anzuwenden auf Texte von Regelwerken, die dienstliche Kommunikation sowie bei Bedarf auf das redaktionelle Texten.“ Neben geschlechtsneutralen oder verallgemeinernden Formulierungen wird die Schreibweise mit Genderstern empfohlen.[126][127] Fernsehredaktionen und Moderierenden werden Beidnennung und neutrale Personenbezeichnungen nahegelegt.[128]
Bei der ARD-Tagesschau läuft seit 2019 ein Projekt zu geschlechtergerechter Sprache. Der Nachrichtensprecher Ingo Zamperoni verwendet in den Tagesthemen häufig Genderformulierungen, gelegentlich auch mit Sprechpause (sogenannte „Gender-Pause“). Radio Bremen gendert höchstens mit Beidnennungen (Paarformen), der SWR empfiehlt sie und neutrale Formulierungen; beide Sender wollen beim Sprechen keine abgekürzten Formen mit hörbarer Gender-Pause.[128] Bereits 2014 hatte der Bayerische Rundfunk intern einen Flyer Faire Sprache herumgeschickt mit Ratschlägen zur Vermeidung generischer Maskulinformen in Fernseh- und Radiosendungen und auf Webseiten.[129][130]
ZDF
Bereits 2009 wurde innerhalb des Zweiten Deutschen Fernsehens ein Faltblatt Tipps für eine moderne Sprache im ZDF verteilt, mit einem Begleitwort des Intendanten Markus Schächter: „Seit 15 Jahren gilt für offizielle Texte auch im ZDF die Praxis geschlechtergerechter Sprache […] wenn Sie Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen wollen – dann sprechen Sie beide an.“[131][132]
Im Juni 2020 fragte die Tageszeitung Nordkurier auch beim ZDF nach, ob und seit wann es offizielle Beschlüsse zum Gendern in ihren Programmen gebe. Solche habe es nicht gegeben, aber seit Jahren würden in den Redaktionen die Möglichkeiten zur geschlechtergerechten oder -neutralen Formulierung diskutiert; letztendlich bleibe es in Einzelfällen den Beteiligten überlassen. Der Nachrichtensprecher Claus Kleber gendert öfters, meist mit Doppelnennungen.[133] Jo Schück, Mitmoderator des Kulturmagazins aspekte, gab an: „Beim ZDF steht es mir frei, ob ich den Genderstern mitspreche. In der ‚aspekte‘-Redaktion sind manche Kolleg*innen dafür, manche dagegen.“[134] Talkmaster Markus Lanz erklärte, bewusst keine Gendersprache zu nutzen.[135] In der heute-Sendung um 19 Uhr nutzt Anchorwoman Petra Gerster ein breites Spektrum gendergerechten Schreibens und spricht gelegentlich eine Gender-Pause; im September 2020 erhielt Gerster die Hedwig-Dohm-Auszeichnung des Journalistinnenbundes für ihr Lebenswerk, Frauen sprachlich sichtbarer zu machen. In der heute-Redaktion beträgt der Frauenanteil 50 % (Stand Oktober 2020).[136]
Umfragen
Anfang 2020 ergab eine Online-Umfrage bei 415 Kommunikatoren deutscher Pressestellen und PR-Agenturen, dass 45 % die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als eher oder sehr wichtig einstuften, während 53 % sie als eher oder völlig unwichtig beurteilten (Details). Im November 2020 veröffentlichte der Bundesverband der Kommunikatoren (BdKom) sein Kompendium Gendersensible Sprache: Strategien zum fairen Formulieren.[50]
Im Mai 2020 ergab eine Befragung von 1000 Personen zur Frage: „Wie stehen Sie zur Nutzung einer solchen Gendersprache in Presse, Radio und Fernsehen sowie bei öffentlichen Anlässen?“, dass 35 % der Befragten eine solche Nutzung befürworteten (19 % eher, 16 % ganz), während 56 % sie eher oder ganz ablehnten (Details).
Hörbarer Glottisschlag in den Medien
In Radio und Fernsehen – vor allem in öffentlich-rechtlichen Sendern – werden zunehmend gegenderte Sprechweisen von Personenbezeichnungen hörbar, sowohl in neutraler Form (Forschende) wie auch als Beidnennung (Forscher und Forscherinnen) oder als gesprochene Gender-Pause mit einem Glottisschlag bei Kurzformen (Forscherʔinnen). Mit einer demonstrativen Betonung von „Steuerzahlerʔinnen“ fiel die ARD-Moderatorin Anne Will im Mai 2020 in ihrer Talk-Sendung auf (siehe Gendern bei Anne Will), bereits 2018 war ihr misslungener Genderversuch „Mitgliederinnen“ diskutiert worden.
Im September 2020 schrieb der Statistikprofessor Walter Krämer einen Beschwerdebrief an hunderte Mitglieder der Rundfunkräte und forderte auf, den Gebrauch „missbräuchlicher Knacklaute“ bei den Öffentlich-Rechtlichen „umgehend zu unterlassen“. Darauf antwortete der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Thomas Bellut, ausführlich: „[…] haben wir uns darauf verständigt, für die schriftliche Kommunikation ab sofort den Genderstern (Asterisk) zu verwenden und einen Leitfaden mit entsprechenden Hinweisen verabschiedet. Für die Kommunikation in journalistischen Beiträgen, das heißt vor allem bei der gesprochenen Sprache, gibt es keine Vorgaben der Geschäftsleitung. Den Redaktionen des Hauses wurde jedoch empfohlen zu diskutieren, wie eine Ansprache aller Zuschauer*innen gelingen kann und die Ansprache dabei mit Blick auf die jeweilige Zielgruppe zu wählen.“ Der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats erklärte, „dass der so genannte Gendergap in Sendungen des WDR möglichst nicht verwendet werden sollte, da dadurch häufig nur die weibliche Form der Personenbezeichnung wahrgenommen werde. Allerdings wolle der WDR prüfen, ob dies auch für Sendungen, die sich explizit an die jüngere Zielgruppe richteten, gelten solle. Denn unter jungen Menschen ist die Berücksichtigung aller Geschlechter auch in der gesprochenen Sprache durchaus üblich.“[137]
Zur Frage, ob das „Gendersternchen mitgesprochen“ werden dürfte, antwortete im Dezember 2020 die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger: „Wir überlassen es unseren Moderator*innen, ob sie tatsächlich das mitsprechen wollen oder nicht. Nicht nur bei Fritz, auch woanders.“ Das Jugendprogramm Radio Fritz verwendet den stimmlosen Glottisschlag auch in Nachrichtentexten. Laut Thomas Hinrichs, Informationsdirektor des Bayerischen Rundfunks (BR), dürfen nur der Jugendkanal Puls und der eigene LGBQT-Postcast die Gender-Pause nutzen.[138] Die grüne Queerpolitikerin Tessa Ganserer warf dem Bayerischen Rundfunk vor, in die 1970er-Jahre zurückzufallen, als sich der Sender noch bei homosexuellen Themen aus dem gemeinsamen ARD-Programm ausgeklinkt hatte. Die grüne Rundfunkrätin Sanne Kurz kritisierte, dass Hinrichs mit seiner Äußerung Redaktionen bevormunde und ihnen diktiere, „wie Beiträge getextet werden müssen, wie moderiert werden muss, und er erzieht mit dem Verbot die Gesellschaft zur Ignoranz gegenüber Menschen, die sich nicht binärgeschlechtlich verorten.“[139]
In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur wird geschlechtergerechte Sprache nur vereinzelt verwendet. Im Juni 2018 erschien in der Zeitung Die Zeit eine Umfrage unter 15 namhaften Autorinnen und Autoren des deutschsprachigen Literaturbetriebs zur Frage: Gendergerechte Sprache – Wie halten Sie es mit dem Gender?[140]
Die österreichische Schriftstellerin Ann Cotten verwendet experimentelle Formen gegenderter Sprache, die sie „polnisches Gendering“ nennt. Dabei kommen „alle für alle Geschlechter nötigen Buchstaben in beliebiger Reihenfolge ans Wortende“.[141] 2019 verwendete sie das Verfahren in ihrem Roman Lyophilia und verweist darauf, auch die Lyrikerin Monika Rinck verwende polnisches Gendering. In Cottens Roman treten unter anderem „Greisenni“, „Teilnehmernnnie“, „Betrachterni“ und „Oberunterösterreichernnnie“ auf.[142]
In der Fantasy-Literatur verwendet 2019 der Science-Fiction-Roman Wasteland von Judith C. Vogt und Christian Vogt konsequent geschlechtergerechte Formulierungen.[143][144] In einem Essay erklärt die Autorin, die Vermeidung des generischen Maskulinums sei ein bewusstes Experiment gewesen.[145]
Der Dichter Reiner Kunze tritt gegen „Sprachfeminismus“ und „Sexualisierung der Sprache“ auf: „Der Sprachgenderismus ist eine aggressive Ideologie, die sich gegen die deutsche Sprachkultur und das weltliterarische Erbe richtet, das aus dieser Kultur hervorgegangen ist.“ Als Beispiel für Verunstaltungen, die durch „Sprachgenderismus“ verursacht sind, führt Kunze unter anderem eine Textstelle aus einem österreichischen Unterstufen-Deutschbuch für den Schulgebrauch an: „Eine/r ist Zuhörer/in, der/die andere ist die Vorleser/in. Eine/r liest den Abschnitt vor, der/die Zuhörer/in fasst das Gehörte zusammen.“Dementsprechend fordert Kunze: „Man schreibe nie, was man nicht sprechen kann, oder was zu einer Verkrüppelung der gesprochenen Sprache führt (Professx, Stud_entin, Trans*autoren, Akteure/innen […]). In dem österreichischen Schulbuch hat man für Kinder gedruckt, was sich nicht einmal fließend lesen läßt.“[146]
Zur Akzeptanz (Befürwortung/Ablehnung) von gendergerechter Sprache oder einzelner Schreibweisen wurden seit den ersten Richtlinien im Jahr 1980 verschiedene sprachwissenschaftliche und psycholinguistische Studien und Befragungen durchgeführt, in neuerer Zeit auch einige Branchen- sowie an Häufigkeit zunehmende Meinungsumfragen, zuletzt im Mai 2020.
Studien zur Akzeptanz
1983 ermittelten die feministischen Sprachwissenschaftlerinnen Marlis Hellinger und Beate Schräpel, dass „nur 10–15 % der Befragten dazu bereit waren“, die damals vorgestellten Richtlinien für geschlechtergerechtes Formulieren (Paarformen und geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen) „ohne Einschränkung in den eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen.“[147]
2007 untersuchten Vera Steiger und Lisa Irmen am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg im Zusammenhang mit Rechtstexten die Akzeptanz für generische Maskulinformen, für Paarformen sowie für geschlechtsneutrale Bezeichnungen. Die Ergebnisse zeigten eine breite Akzeptanz neutraler Bezeichnungsformen, die als geschlechtergerechter als die beiden anderen Alternativen beurteilt wurden.[148] 2011 wurde die Studie von Steiger und Irmen mit drei Gruppen von Versuchspersonen wiederholt (Juristen, Über-60-Jährige und Personen ohne akademischen Hintergrund): Die Ergebnisse von 2007 wurden bestätigt, die Teilnehmenden zeigten eine große Akzeptanz für geschlechtsneutrale Bezeichnungen (etwa die Wahlberechtigten).[149]
Siehe oben: Studien zur Verständlichkeit geschlechtergerechter Sprache
Branchenumfragen
Für das Jahr 2019 fanden sich in den Geschäftsberichten von 15 der 30 deutschen DAX-Unternehmen Erklärungen, dass generische Maskulinformen „stellvertretend für alle Geschlechter“ gebraucht würden (2020er-Frauenanteile in DAX-Vorständen: 14 %, in DAX-Aufsichtsräten 35 %). Im Vergleich zu Vorjahren war ein Rückgang von Beidnennungen feststellbar; in den Berichten wurde als Begründung angegeben:[150]
Anfang 2020 machte das Medienunternehmen news aktuell eine Online-Umfrage bei 415 Kommunikatoren deutscher Pressestellen und PR-Agenturen sowie bei 92 Kommunikatoren in der Schweiz – die Ergebnisse im Einzelnen:[151][152]
Deutschland | Schweiz | Regelung |
---|---|---|
53 % | – | eher unwichtig: 36 %, völlig unwichtig: 17 % |
45 % | – | 0r eher wichtig: 29 %, 00 sehr wichtig: 16 % |
45 % | 32 % | haben keine einheitliche Regelung |
38 % | 70 % | formulieren geschlechtsneutral (Mitarbeitende, Studierende) |
36 % | 60 % | schreiben männliche und weibliche Form aus (Beidnennung) |
19 % | 21 % | verwenden Klammer-/Schrägstrich-Schreibweisen (Volontär/in) |
18 % | 21 % | verwenden Binnen-I (VolontärIn) |
14 % | 13 % | verwenden Gendersternchen (Volontär*in) |
12 % | 03 % | verwenden keine gendergerechte Sprache |
02 % | – | ohne Angabe |
01 % | 00 % | verwenden Gender-Gap (Volontär_in) |
Meinungsumfragen zur Akzeptanz
1997 untersuchten die Sprachwissenschaftlerinnen Karin Eichhoff-Cyrus und Margot Dietrich in einer repräsentativen Umfrage von über 700 Personen die Akzeptanz für sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten:[153]
2014 führte das Meinungsforschungsinstitut Unique research in Österreich eine Umfrage für das Nachrichtenmagazin profil durch, ohne die Anzahl der Befragten zu nennen:[154]
2017 führte YouGov für die Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine Befragung durch, ohne die Anzahl der Personen zu nennen; gefragt wurde, wie sie zur geschlechtergerechten Sprache etwa mit Binnen-I oder Sternchen stehen (KollegInnen, Schüler*innen):[157]
2019 führte Civey für t-online.de eine Online-Umfrage mit rund 5000 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Personen in Hannover durch, nachdem die Stadtverwaltung das Gendersternchen eingeführt hatte (vergleiche Nachteile von Online-Umfragen); die Frage lautete: „Ist die Nutzung geschlechtsneutraler Sprachformulierungen Ihrer Meinung nach eine sinnvolle Maßnahme zur Gleichstellung aller Geschlechter?“[158]
2019 führte INSA-Consulere für den Verein Deutsche Sprache eine Umfrage bei rund 1000 zufällig ausgewählten Personen durch, unter anderem mit der Frage „Wie wichtig oder unwichtig ist Ihrer Meinung nach gendergerechte Sprache für die Gleichstellung der Frau in Deutschland?“[159]
Im Mai 2020 führte Infratest dimap für die Zeitung Welt am Sonntag eine Befragung durch mit dem Titel Vorbehalte gegenüber genderneutraler Sprache. Mit rund 1000 Personen wurden Telefoninterviews geführt zu der Frage: „Wie stehen Sie zur Nutzung einer solchen Gendersprache in Presse, Radio und Fernsehen sowie bei öffentlichen Anlässen?“ Dazu wurden zwei Beispiele genannt: die Form mit Binnen-I im Wort „WählerInnen“ mit kurzer Sprechpause vor dem großen „i“ sowie als neutrale Form das substantivierte Partizip „die Zuhörenden“:[161][162]
Der Germanist und Romanist Roland Kaehlbrandt hielt 2016 in seinem Buch Logbuch Deutsch die geschlechtergerechte Sprache für das Produkt einer „Bevormundungsgesellschaft“, deren Akteure mit „übertriebener Selbstgewissheit“ ihre sprachpolitische Agenda verfolgten und hierbei eine Art „Moraldeutsch“ ins Leben gerufen hätten. Auch ästhetische Argumente gegen das „Gerechtigkeitsdeutsch“ führte er an und konstatierte Künstlichkeit und den Verlust von Sprachschönheit: „Die sprachlichen Verrenkungen, die aus dem akademischen Milieu in die Öffentlichkeit gelangen, zeugen zwar von Engagement für die Sache, aber leider auch von Weltfremdheit und mangelndem Sprachgefühl.“[163]
Der Philosoph Robert Pfaller hielt 2018 im Domradio die gendergerechte Sprache zwar für ein „wichtiges Thema“, sah jedoch eine „hochgeputschte Diskussion“. Parteien wie die SPD würden sich mittlerweile für gendergerechte Sprache einsetzen anstatt „die Interessen der kleinen Leute zu vertreten“. So würde dieses Thema von der „dringend notwendigen gesellschaftlichen Diskussion ablenken, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer Ärmer werden“. Hinter diesem „Ablenkungsmanöver des neoliberalen Kapitalismus“ sieht er „politische Strategie, von der der Neokapitalismus als Taktgeber profitiere“.[164]
Der Sprachwissenschaftler Josef Bayer meinte 2019 in der Neuen Zürcher Zeitung, dass die Sprachwissenschaft „den Irrweg der vermeintlich gendergerechten Sprache leichter ans Licht bringen“ könne als jede andere Disziplin. Die Vorschläge für diese Sprachreform kämen zwar „in erster Linie von den Universitäten“, aber es „sind in der Regel keine Linguisten, die das Gendersprech-Projekt befördern“. Er stelle sich nicht „in die Reihe der Empörten, die einen Sprachverfall beklagen“, sondern gehöre „zu denjenigen, die eine unaufhaltsame historische Änderung der Sprache als quasi naturgegeben anerkennen“. Das Problem sei, dass die Gendersprache keine aus der Sprache selbst hervorgehende Evolution darstelle, sondern „ein von aussen aufgesetztes Reförmchen“ sei. Mit natürlichem Sprachwandel habe „Gendersprache nicht das Geringste zu tun“. Die Gendersprache folge einem „kruden Funktionalismus, der in allem, was die Sprache bietet, einen für den Menschen wesentlichen ‚Sinn‘ sucht“. Ein „Gendersystem“ sei nicht dazu da, etwas über Männer und Frauen in einer Gesellschaft zu sagen, sondern allenfalls, um eine Beziehung zwischen Wörtern zu stiften, die „Kongruenz“ genannt wird (die regelhafte Übereinstimmung). Umbenennungen hätten noch nie etwas an den wirklichen Sachverhalten bewirkt. Da die gendergerechte Sprache nichts anderes sei als eine „fehlmotivierte Umbenennung von bestimmten Bezeichnungen“, werde sie „ausser einer Menge stilistischer und ästhetischer Entgleisungen nichts Positives und schon gar nichts Fortschrittliches hervorbringen“.[165]
Die Sprachwissenschaftlerin Gisela Klann-Delius nannte 2005 in ihrem Buch Sprache und Geschlecht als einen Kritikpunkt, dass bei gegenderten Texten der Aspekt des Geschlechtlichen häufig in einer Weise in den Vordergrund trete, die von der beabsichtigten Kernaussage ablenke; Beispiel für eine konventionelle Formulierung mit geschlechtergerechter Variante:[166]
→ Ärztinnen und Ärzte räumen dem therapeutischen Beruf allenfalls eine tröstende Funktion ein.
Klann-Delius merkte an, dass bei der Umformulierung wesentliche „Ausdrucksnuancen verschwinden“ und „der konkrete Gehalt der Äußerung (Therapeut als Tröster) einer geschlechtergerechten, aber wenig lebendigen und konkreten Darstellungsweise“ geopfert werde.[166]
Als weitere Kritik wird vorgebracht, dass gegenderte Texte beim Einsatz von schriftbildbezogenen Gestaltungsmitteln wie Schrägstrich und Binnen-I für den mündlichen Vortrag nur wenig geeignet seien (siehe oben Aussprache von Kurzformen).
Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnte im August 2020 das Binnen-I sowie Schreibweisen mit Genderzeichen ab, weil sie sich beim Vortragen nicht eindeutig verschriftlichen ließen – unklar bleibe, was im vorgetragenen Text stehe (siehe GfdS-Kritik zur Verschriftlichung von Gender-Pausen).
Einige Sprachwissenschaftler und Schriftsteller lehnen die Verwendung des substantivierten Partizips I zur Bildung von Ersatzformen (Studierende, Lehrende, Teilnehmende) aus grammatischen Gründen ab. Eine solche Wortbildung beschreibe üblicherweise eine Person, die gerade etwas tue (Aspekt der Gleichzeitigkeit). Wolfgang Klein verdeutlichte 2019 in den Lübecker Nachrichten den Unterschied: „Der Fahrer und der Fahrende zum Beispiel, das ist schon etwas anderes. Der Fahrende ist der, der gerade fährt. Die Tänzerin muss nicht unbedingt gerade tanzen, die Tanzende aber sehr wohl“ (siehe auch Kritik an der Wortform „Studierende“).[167]
Die Verwendung von Ersatzformen, die durch Bildung des Partizips II gebildeten werden, kritisierte der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg 2017 in der Süddeutschen Zeitung: „Ein Geflüchteter kann einer sein, der sich einem Regenguss oder einer nervigen Seminarveranstaltung entzieht, ein Flüchtling dagegen flieht vor Krieg, Gewalt oder politischer Verfolgung.“[168]
Klann-Delius nannte 2005 als weiteren Kritikpunkt, die geschlechtergerechte Sprache bekräftige die „Relevanz von Geschlecht als sozialer Kategorisierung“ weiter, obwohl die Intention des Gleichstellungsgedankens eigentlich in die gegenteilige Richtung ziele.[166]
Der Psycholinguist Wolfgang Klein fasste 2008 in Bild der Wissenschaft zusammen: Der Sexismus, der eigentlich bekämpft werden soll, werde mit den gendergerechten Schreibweisen erst in die Sprache eingeführt. Die Beidnennungen würden jetzt erst unterstreichen, dass ein weiblicher Professor nur eine Professorin sein kann – und möglicherweise doch keine Frauen gemeint sein könnten, wenn von Politikern die Rede ist.[169]
Die Ethnologin Ingrid Thurner stellte 2013 in Die Welt die Frage, ob „die fortgesetzte Betonung des eigentlich Selbstverständlichen, nämlich der Mehrgeschlechtlichkeit, die gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht nur nicht aufgeweicht, sondern sogar zementiert“ habe. So werde „die Sprachgerechtigkeit den Frauen von den Männern als Geschenk dargebracht, ist aber bloß ein Ablenkungsmanöver“. Alternativformen wie das Binnen-I hätten nichts an den tatsächlichen Ungleichstellungen geändert – Männer „sehen ihre Vormachtstellung durch den inflationären Gebrauch von ein paar Sonderzeichen nicht bedroht“.[170]
Siehe unten: Debatten Pro und Kontra (Weblinks)
Substantive
In der englischen Sprache haben Substantive kein grammatisches Geschlecht (Genus) und Personenbezeichnungen sind allgemein geschlechtsneutral (Sexus-indifferent). So kann das englische Wort teacher sowohl einen Lehrer als auch eine Lehrerin oder eine nichtbinäre Person bezeichnen und von allen als Berufsbezeichnung benutzt werden. Die Ableitung geschlechtsspezifischer Wortformen spielt kaum eine Rolle, nur wenige Bezeichnungen werden abgeleitet, etwa mister → mistress (Frau, Herrin) oder Adelstitel wie prince → princess (Prinzessin). Als veraltend – weil abwertend, das Geschlecht hervorzuheben – gelten Formen wie actress (Schauspielerin) oder stewardess (vergleiche Movierung im Englischen).[171][172] Ausnahme hiervon sind die Auszeichnungen für den Best Actor (bester männlicher Hauptdarsteller) und Best Actress (beste Hauptdarstellerin).
Pronomen
1973 wurde erstmals der generische Gebrauch von Maskulina kritisch untersucht in Bezug auf geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen.[173] 1975 folgte die Studie Androcentrism in Prescriptive Grammar („Androzentrismus in präskriptiver Garammatik“) zu Personalpronomen, die festhielt, wie der britische Staat im Jahr 1850 gesetzlich in den bis dahin üblichen Sprachgebrauch eingegriffen hatte, um den Gebrauch des männlichen Pronomens he im generischen Sinne zu erzwingen.[174]
Im Englischen findet sich seit dem 14. Jahrhundert – etwa hundert Jahre nach dem Aufkommen der Plural-Pronomen – auch die unbestimmte Verwendung des pluralen Fürworts they in der singularen Bedeutung für eine einzelne Person, als neutrale Alternative zu den geschlechtsbezogenen Pronomen he und she (siehe Singulares „they“ im Englischen).[175] Ab Mitte der 2010er-Jahre verbreitet sich das singulare they für nichtbinäre Personen. Daneben gibt es immer wieder Vorschläge für geschlechtlich unbestimmte Fürwörter wie xe, ze oder das zie / hir von Norrie May-Welby;[176] der US-amerikanische Mathematiker Michael Spivak erfand die sogenannten „Spivak-Pronomen“ e…em…eir…eirs…emself. Von diesen kreativen Lösungen konnte aber noch keine nennenswerte Verbreitung oder Akzeptanz erlangen (siehe Gender Census 2020). Als Schrägstrichschreibung findet sich mitunter s/he (entspricht dem deutschen Vorschlag „sier“).
Anrede
Als geschlechtsneutrale Anrede ist die Form Mx (gesprochen „Mix“ oder „Max“) seit der Jahrtausendwende aufgekommen, dabei werden die Endungen der männlichen Anrede Mr (Mister „Herr“) und der weiblichen Form Mrs oder kurz Ms (Mistress „Frau“) durch ein „x“ ersetzt. 2015 nahm das britische Wörterbuch Oxford English Dictionary die Anredeform Mx auf.[177][178][179] Die US-amerikanische Schreibweise Mx. (statt Mr. oder Ms.) steht seit 2016 im Merriam-Webster’s Dictionary.[180]
In der französischen Sprache gibt es im Unterschied zum Deutschen verschiedene Personalpronomen für die zwei Geschlechter auch in der Pluralform: Der deutsche Satz „sie singen“ heißt ils chantent für männliche und elles chantent für weibliche Personen. Für gemischte Personengruppen wird die männliche Form verwendet.[181]
Für Berufsbezeichnungen mit maskulinem Genus wurden in den 1980er Jahren feminine Movierungen vorgeschlagen: So sollen Berufsbezeichnungen, die auf „-eur“ enden, stattdessen das Suffix „-euse“ bzw. „-trice“ erhalten, wenn Frauen gemeint sind: „un animateur → une animatrice“ bzw. „un vendeur → une vendeuse“. Bei anderen Wörtern wird ein „-e“ angehängt, wodurch sich die Schreibweise, nicht jedoch die Sprechweise ändert: „un délégué → une déléguée“. Bei anderen Wörtern soll das Genus geändert werden können, ohne dass die Sprech- und Schreibweise sich ändert: „un architecte → une architecte“. Frauen in besserverdienenden Berufen (métier „haut de gamme“) bevorzugen jedoch die männliche Berufsbezeichnung. Sowohl in Stellenausschreibungen als auch in der Presse findet die Femininform von gehobenen Berufen keine Anwendung – unabhängig vom Geschlecht des Artikelschreibers.[182]
Eine Umfrage hat ergeben, dass die Movierung von Endungen mit „-eur“ auf Endungen mit „-euse“ bzw. „-eure“ unpopulär sind (z. B. „auteuse“ bzw. „auteure“). Und auch die Movierung auf „-esse“ wird mehrheitlich abgelehnt (mit Ausnahme des Wortes „doctor → doctoresse“). Den höchsten Zuspruch bekamen die folgenden weiblichen Berufsbezeichnungen: „weiblicher Artikel + männliches Substantiv“ (z. B. „une auteur“) sowie „femme + männliches Substantiv“ (z. B. „femme auteur“).[182]
Für einige Berufsbezeichnungen gibt es geschlechtsneutrale Substantive, sogenannte épicènes, beispielsweise l’architecte (der Architekt/die Architektin) le/la pianiste (der Pianist/die Pianistin), le/la sécretaire (der Sekretär/die Sekretärin).[182] Als neue geschlechtsneutrale Bezeichnungen (nouveaux épicènes) kommen Bezeichnungen wie le/la juge (der Richter/die Richterin) und le/la ministre (der Minister/die Ministerin) hinzu: So löste etwa in der französischen Politik gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Anrede Madame la Ministre die zuvor verwendete Anrede Madame le Ministre weitgehend ab.
Bereits im Jahr 1984 hatte Yvette Roudy, Ministerin für die Rechte der Frau, eine Kommission für die Formulierung frauengerechter Berufs- und Funktionsbezeichnungen eingesetzt. Deren Vorschläge zu weiblichen Bezeichnungen, Titeln und Dienstgraden ließ der scheidende sozialistische Premierminister Laurent Fabius 1986 den entsprechenden Dienststellen zur Beachtung zukommen (Circulaire du 11 mars 1986 relative à la féminisation des noms de métier, fonction, grade ou titre).[183][184]
Im Jahr 2017 erschien ein Schulbuch, in dem eine geschlechtergerechte Schreibung mithilfe des Mediopunkts umgesetzt war, beispielsweise les deputé·e·s et les électeur·rice·s (Abgeordnete und Wähler·innen). Premierminister Édouard Philippe wies die staatlichen Behörden umgehend an, in amtlichen Texten nicht diese sogenannte écriture inclusive („inkludierende Schreibweise“) zu verwenden. Die Staatsverwaltung müsse sich „aus Gründen der Verständlichkeit und der Klarheit an die grammatischen und syntaktischen Regeln halten“.[185][186][187] Zuvor hatte sich bereits der französische Blindenverband gegen die écriture inclusive ausgesprochen, weil sie Sehbehinderten die Nutzung von Vorleseprogrammen (Screenreader) fast unmöglich mache. Die Académie française hatte hingegen sämtliche Formen der geschlechtergerechten Sprache verworfen, selbst weibliche Endungen für Berufsbezeichnungen; dem folgte der Premierminister jedoch nicht, sondern erklärte diese ausdrücklich für erwünscht.[188][189]
Bereits 1999 hatte das Centre national de la recherche scientifique eine Liste mit weiblichen Berufsbezeichnungen zusammengestellt und beispielsweise die feminine Form écrivaine („Schriftstellerin“) vorgeschlagen. Die Académie française hatte diese Schreibweisen oder Beidnennungen stets abgelehnt: Das generische Maskulinum sei die neutrale, unmarkierte Form.[188] Im Februar 2019 stellte die Académie mit nur zwei Gegenstimmen fest, dass es keine prinzipiellen Hinderungsgründe gibt, in der französischen Sprache Berufsbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen, Titel und akademische Grade in der weiblichen Form zu verwenden.[190]
Die isländische Sprache hat das geschlechtsneutrale Pronomen hán als Zusammenfassung von „er/sie“ (ähnlich zum neuen schwedischen hen). Es wird seit 2016 an der Universität Island gelehrt und wurde aus dem finnischen hän gebildet.[191] Die finnische Sprache ihrerseits kennt kein grammatisches Geschlecht (Genus).[192]
In der portugiesischen und der spanischen Sprache wird aufgrund der häufigsten Markierungen des Genus eines Wortes durch die Endung -o oder -a von manchen das Schriftzeichen „@“ (At-Zeichen) als Kombination beider Buchstaben verwendet.[193] So wird die Begrüßung „Liebe Freundinnen und liebe Freunde“ auf Portugiesisch eingekürzt: Caras amigas e caros amigos → [email protected] [email protected]. In vielen romanischen Sprachen werden Adjektive wie gezeigt anders als im Deutschen auch im Plural genusabhängig dekliniert.
Weil Spanisch eine weltweit gesprochene Sprache ohne Normierungsinstanz ist, entwickeln einzelne Sprachgemeinschaften unterschiedliche Ansätze des Genderns. Im Rahmen der weltweiten Gender-Debatte zur Sichtbarkeit der Geschlechter ersetzen junge Leute beispielsweise in Argentinien die feminine Endung -a und das maskuline -o durch ein neutrales -e, etwa bei bienvenidos (Willkommene) → bienvenides, oder bei secundarias (Sekundarschüler) → secundaries. Auch findet sich neben dem weiblichen Pronomen ella (sie) und dem männlichen él (er) die genderneutrale Form elle.
In den USA, die einen Bevölkerungsanteil von über 18 % Hispanics und Latinos haben, wird neben der Kurzform mit dem At-Zeichen auch das „x“ als geschlechtsneutrale Endung eingesetzt: Latina & Latino → [email protected] oder Latinx (vergleiche X-Endung als experimenteller Vorschlag im Deutschen, japanisches X-gender).[193]
In der Schriftsprache Rumantsch Grischun wird zwischen maskulinen und femininen Substantiven unterschieden: il scolar, der Schüler; la scolara, die Schülerin; ils scolars, die Schüler, wenn es sich um männliche Schüler oder um eine gemischte Gruppe von männlichen und weiblichen Schülern handelt; las scolaras, wenn es sich um eine Gruppe von Schülerinnen handelt. Wie im Deutschen wird ein grammatikalisches Geschlecht verwendet. So heißt es zum Beispiel la gruppa da scolars, die Schülergruppe (feminin), obwohl die Gruppe aus männlichen Schülern besteht, aber il chor da scolaras, der Chor von Schülerinnen (maskulin).
In der schwedischen Sprache gibt es seit 2015 offiziell neben den beiden persönlichen Fürwörtern han („er“) und hon („sie“) das geschlechtsneutrale hen (nicht übersetzbar, am ehesten: „sier“). Es ist geschlechtlich unbestimmt und meint eine Person unbekannten oder unbestimmten Geschlechts, weshalb es auch für Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität verwendet werden kann. Seinen Ursprung hat hen in den 1960er-Jahren, als schwedische Sprachwissenschaftler/innen es – nach dem Vorbild des Finnischen – empfahlen zur Vereinfachung der Beidnennung han eller hon („er oder sie“). Zunächst setzte sich der Vorschlag aber in Schweden nicht durch.[194][195] 2012 erschien das Kinderbuch Kivi & Monsterhund von Jesper Lundqvist, in dem die Hauptfigur mit dem Fürwort hen bezeichnet und allgemein auf Geschlechterzuschreibungen verzichtet wurde. Das Buch löste eine gesellschaftliche Debatte über Geschlechtersensibilität in Schweden aus. 2014 nahm die Schwedische Akademie hen in ihre Wortliste auf und seit April 2015 steht es auch im offiziellen Wörterbuch der schwedischen Sprache Svenska Akademiens ordlista (dem Duden vergleichbar).[195][196]
Die thailändische Sprache kennt kein grammatisches Geschlecht. Bestimmte Substantive haben eine geschlechtsspezifische Bedeutung, etwa chai ชาย „Mann“ – ying หญิง „Frau“ – pho พ่อ „Vater“ – mae แม่ „Mutter“ – racha ราชา „König“ – rachini ราชินี „Königin“. Die meisten Substantive sind hingegen in ihrer lexikalischen Bedeutung geschlechtsneutral, etwa khon (คน „Mensch“), khru (ครู „Lehrer/in“) oder nakrian (นักเรียน „Schüler/in“, wörtlich „Person-lernen“). Soll das Geschlecht der Person mitangegeben werden, so erfolgt dies durch Wortzusammensetzung, etwa nakrian-chai (นักเรียนชาย „Schüler“, wörtlich „Person-lernen-Mann“) und nakrian-ying (นักเรียนหญิง „Schülerin“, wörtlich „Person-lernen-Frau“). Selbst manche Bezeichnungen für Familienmitglieder sind in ihrer Grundform geschlechtsneutral, etwa phi (พี่ „älteres Geschwister“) und nong (น้อง „jüngeres Geschwister“). Soll hingegen mitgeteilt werden, ob es sich um einen Bruder oder eine Schwester handelt, ist wiederum eine Zusammensetzung erforderlich, etwa phi-sao (พี่สาว „ältere Schwester“) und nong-chai (น้องชาย „jüngerer Bruder“).[197]
Mit Bezug auf Gruppen verschiedenen Geschlechts wird in der Regel die geschlechtsneutrale Grundform verwendet. Auch bei der Anrede eines Publikums werden meist geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwendet, etwa than phu mi kiat (ท่านผู้มีเกียรติ „geehrte Gäste“) statt „meine Damen und Herren“. Nur wenn besonders betont werden soll, dass einer Gruppe Personen beiderlei Geschlechts angehören, werden die geschlechtsspezifischen Zusammensetzungen verwendet.[198]
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